Der jüngste Schweizer Kapuziner erzählt von seinem Leben

Kapuziner Bruder Marc ist der jüngste Kapuziner im Kloster Wesemlin. Mit seinen 17 Brüdern packt er die Zukunft mit innovativen Ideen an.

„Wenn ich mich verlieben würde. Oder die Berührung mit Gott verloren ginge“, nennt Bruder Marc die zwei einzigen Gründe, die es ihm schwer machen würden, im Orden der Kapuziner zu bleiben. Seit März lebt der 31-Jährige im Kloster Wesemlin mit 17 Brüdern zusammen.

Marc Zemp ist in Uffikon mit zwei Geschwistern aufgewachsen, der Vater hatte eine Schreinerei. Von seiner Mutter hat er die christliche Spiritualität. „Uns wurden Grosszügigkeit, Toleranz, Respekt und Offenheit gegenüber anderen Kulturen und ein guter Umgang mit Geld beigebracht“, erzählt der Kapuziner. Nach der Firmung las er die Bibel und war fasziniert von Jesus – von seinen sozialen Werken und seiner Obrigkeitskrititk. „Meine Tante ist Klosterfrau. Sie ist auf Mission in Chile und kommt alle paar Jahre zu Besuch. Inspiriert durch sie wollte ich selber auf Mission gehen und armen Kindern helfen“, erinnert sich der junge Mann in der braunen Kutte. Doch Marc lernte Bauzeichner, absolvierte die Berufsmatura und begann, Geografie zu studieren.

„Im Kloster finde ich Kraft“

Bei einem Auslandaufenthalt in Togo wird Marc sehr krank. Dieses Erlebnis brachte ihn näher zu Gott und mündete darin, dass er sich für drei Monate probehalber in ein Kloster begab. „Hier kann ich einfach sein. Vorher kam ich oft an meine Grenzen. Doch im Glauben und im Kloster finde ich Kraft.“ Während des Noviziats in Salzburg arbeitete er in einer Behindertenwerkstätte oder intern im Kloster. Dann trat er, erst mal für drei Jahre, dem Orden bei und gelobte Gehorsam, Armut und Keuschheit.

Als sich Marc mit 28 Jahren entschloss, ins Kloster zu gehen, wurde er von Freunden und Familie unterstützt. Nur Marcs Schwester verstand seinen Entscheid, ins Kloster zu gehen, zuerst nicht. „Doch jetzt besucht sie mich ab und zu hier im Kloster“, freut er sich.

Marc hatte zwar einige kürzere Beziehungen, aber „ich entschied mich gegen eine eigene Familie. Dafür habe ich die Beziehung zu Gott und die neue Familie meiner Brüder. Die Gemeinschaftlichkeit ist den Kapuzinern sehr wichtig“, erzählt er. „Diese Entscheidung fällt man aus Überzeugung. Der Glaube gibt mir auch Kraft dafür.“

Hierarchien sind bei den Kapuzinern nicht so wichtig. „Jeder macht alles, auch der Klostervorsteher. Wir essen und beten auch gemeinsam.“ Doch Bruder Marc hat auch Zeit für sich: „Zweimal am Tag meditiere ich eine halbe Stunde, um mich zu öffnen für Gott. Ausserdem haben wir einen Tag in der Woche frei. Ich gehe morgen zum Beispiel wandern.“ Wer denkt, in einem Kloster bete man den ganzen Tag, liegt falsch. Bruder Marc geht verschiedenen Arbeiten nach: „Ich bereite die Gottesdienste vor, arbeit im Klostergarten, bin in der Suppenküche.“ Er kann auch seinem Hobby dem Turnverein, nachgehen.

Neue Formen des Klosterlebens

Im Kloster Wesemlin, wo früher 40 Brüder lebten, befinden sich heute noch 18. Das Durchschnittsalter liegt bei über 70 Jahren. „Abends ist es manchmal sehr still. Da bin ich froh, wenn ich ab und zu etwas mit meinem indischen Bruder unternehmen kann – der ist in meinem Alter. Denn mich beschäftigen nicht immer die gleichen Themen wie meine älteren Mitbrüder“, sagt Marc. Bei dem hohen Durchschnittsalter liegt die Befürchtung nahe, dass Bruder Marc in 20 Jahren allein im Wesemlin wohnt. „Wie sich die Familienformen in der Gesellschaft verändert haben, müssen auch wir uns neue Formen des Klosterlebens überlegen“, sagt er dazu. „Das Kloster hat sich sehr geöffnet. Wir vermieten Räume, und es ist geplant, den Garten zu öffnen. Wir werden Studios vermieten, die mit uns essen und beten wollen.“

Natalie Ehrenzweig/Neue Luzerner Zeitung