Das Konzil entwickelte ein neues Verständnis von Mission

Was ist in der Schweiz daraus geworden?

Vorbemerkung von wlu:
20 Jahre nach dem Vatikanum II. ging die damalige katholische Tageszeitung „Vaterland“ in einer Artikelreihe der Frage nach, wie die Impulse des Konzils in der Schweiz aufgenommen wurden. Ich schrieb damals eine Bilanz zum Missionsdekret. Hier der erste Teil:

Ein neues Verständnis von der Mission

Missionarisch sein bedeutet mehr als Geld sammeln für ferne Länder. Ebenso geht Mission nicht nur einige wenige an, die dafür ein besonderes Interesse haben. Mission ist ein wesentliches Kennzeichen der Kirche. Darauf hat das Konzil mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Wie weit stiess es damit in der Schweizer Kirche auf Gehör?

Mission ist nicht bloss ein Hobby von wenigen. Sie ist die „Grundpflicht“ jedes Christen. Dieser Aussage des Konzils wird auch in der Schweizer Kirche immer grössere Beachtung geschenkt. Die Zahl der pfarreilichen Missionsgruppen ist erfreulich hoch. Durch das Interesse an der Glaubensverkündigung in fernen Ländern wächst das Bewusstsein, dass der Glaube auch bei uns in eine immer weniger christlich werdende Umgebung ausstrahlen und so „missionarisch“ sein muss. Man beginnt zu spüren, dass die Schweiz ein „Missionsland“ geworden ist.

Eine zweite Einsicht, die durch das Konzil grundgelegt und 1971 durch die internationale Bischofssynode betont wurde, ist auch in der Schweiz lebendig: Der Zusammenhang von Verkündigung und Entwicklung. Dazu Jean Mesot, Präsident des Schweizerischen Missionsrates: „Missionsarbeit ist nicht bloss Evangelisierung. Sie ist auch Sensibilisierung für Gerechtigkeit. Auch Friedensarbeit wird in diesem Zusammenhang gesehen, zum Beispiel von der Synode 72. Wer sich für die Dritte Welt engagiert, macht oft auch in der Friedensbewegung mit. Überall geht es um eine Welt, in der sich leben lässt.“

Um das neue Missionsverständnis bis an die Basis zu bringen, wurden in der Schweiz Strukturen aufgebaut, die zusammen mit den Hilfswerken und den missionarisch tätigen Orden ein „Netz“ bilden. Die Diözesen haben einen Missionsbeauftragten und eigene Missionskonferenzen. Ebenso gibt es Delegierte auf der Ebene der Dekanate. Der Schweizerische Missionsrat ist eine Art Dachverband, in dem die sprachregionalen Missionskonferenzen ihre Erfahrungen austauschen und gegenseitig Impulse aufnehmen. Eugen Wirth, der von seiner Arbeit bei der Missio zahlreiche internationale Kontakte hat, betrachtet dieses gut ausgebaute Netz unserer Kirche als „einmalig“.

Pfarreien im Mittelpunkt
Wie uns Fidelis Stöckli, der Präsident der Deutschschweizer Missionskonferenz erklärt, geht es bei allen Strukturen darum die Pfarreien missionarischer zu machen: „Hier liegt der Schwerpunkt, bei der Mission am Ort.“ Er stellt fest, dass in den letzten vier bis fünf Jahren die Erkenntnis gewachsen ist, dass Mission auch persönliches Glaubensbekenntnis in die eigene Umwelt hinein bedeutet. Wichtige Anstösse dazu gab das Interdiözesane Pastoralforum.

Wer die zahlreichen Missionsgruppen in den Pfarreien betrachtet, spürt eine grosse Vielfalt. Es gibt Strick-Zirkel für den Missionar in Afrika, Gruppen mit Projektpartnerschaften, Gruppen für weltweite Bewusstseinsbildung und eindeutig politisch ausgerichtete Dritt-Welt-Gruppen. Die „Arbeitsgruppe für missionarische Information und Bewusstseinsbildung“ erkennt unter den Gläubigen in den Pfarreien unterschiedliche Tendenzen:

  • „Eine sozial/politische Minderheit mit starkem Interesse an entwicklungspolitischen Fragestellungen und mit grossem Engagement, das sich umschreiben lässt mit Stichworten wie Solidarität, Menschenrechte, ganzheitliche Befreiung, Friedenspolitik und neuer Lebensstil.
  • Eine eher grössere Gruppe, die sich entschiedener für religiöse Vertiefung, Mission im engern Sinn, einsetzen will.
  • Dazwischen bewegen sich die oft Unentschiedenen, manchmal Ratlosen und Resignierten, die anzusprechen uns am schwersten fällt.“

Walter Ludin

Fortsetzung folgt