Das Wunder des Lebens

„Mit 66 Jahren fängt das Leben an“, hat Udo Jürgens gesungen. Dieser kurze Ausschnitt schwirrt in den letzten Tagen öfters in meinem Kopf herum. Dabei bin ich der Meinung, dass mein Leben bereits angefangen hat. Ich habe noch nicht einmal die Hälfte von diesen 66 Jahren auf dem Buckel. Natürlich, wenn man sich das ganze Lied von Jürgens anhört – was ich übrigens empfehlen kann – so merkt man, ist seine Aussage grundsätzlich anders.

Dennoch: In diesem Monat darf ich meinen 30. Geburtstag feiern. Da staune ich, was ich alles schon erlebt habe. Wie werde ich wohl staunen, wenn ich 66 bin?

Das Wunder des Lebens ist ja wirklich ein beeindruckendes Wunder.

Wenn man es bedenkt: Da entsteht im Mutterleib ein Zellklumpen und bereits ungefähr 22 Tage nach der Befruchtung soll der erste Herzschlag sein. Von diesem Tag an schlägt das Herz jeden Tag, jede Nacht … 30 Jahre, 66 Jahre, 80, 90 …

Ich finde es faszinierend, darüber nachzusinnen, was genau der Impuls ist, dass dieser erste Herzschlag stattfindet? Wer „sagt“ diesem, in jenem Stadium noch schlauchförmigen Herz, dass es nun Zeit ist zu arbeiten?

Genauso denke ich darüber nach, was wohl der Impuls ist, dass es aufhört? Es gibt Menschen, bei denen schlägt das Herz über 100 Jahre und dann plötzlich steht es still. Einfach so. Faszinierend!

Ja, es gibt viele Menschen, die krank sind oder aufgrund von Unfällen früher aus dem Leben scheiden als erwartet.

Trotzdem. Wenn man bedenkt, wie komplex unser Organismus arbeitet und wie wenig es braucht, damit er nicht mehr funktioniert, ist es doch ein Wunder, wie viele Menschen einfach gesund sind.

So bin ich dankbar, dass mein Herz seinen Dienst so treu erfüllt und mich die letzten 30 Jahre belebt hat. Ich bin auch dankbar, wenn es dies noch weiter tut. Denn ich möchte ja schon gerne wissen, wie man mit 66 Jahren auf das Leben zurückschaut.


Lea Heinzer

Lea Heinzer, Kapuzinerin.
Lebt im Kapuzinerinnenkloster St. Klara in Stans.
Nach der Ausbildung als Fachfrau Kinderbetreuung entschied sie sich 2014, ins Kloster einzutreten. Dort ist sie in verschiedenen Aufgabenbereichen tätig.