Der Kapuziner und die Ölpalmen

Jakob Willi, Indonesien-Missionar, erzählt in seinem Rundbrief, wie die Ölpalmen-Plantagen seine Pfarrei grundlegend verändert hat.

Brief aus Indonesien

Liebe Freunde der Mission,

40 Jahre sind es nun schon her, dass ich dem Ruf zum Missionsdienst nach Indonesen gefolgt bin. Als ich im Jahr 1977 in einer eindrücklichen Aussendungsfeier in der Kirche von Heiligkreuz SG das Wort zugesprochen bekam: “Geh, hilf der jungen Kirche auf Borneo, lebe und verkünde das Evangelium!”, da ahnte ich noch nicht, was alles auf mich zukommen würde.

Im Verlauf der 40jährigen Geschichte der Pfarrei “Heilig Kreuz” Ngabang hat sie und ihr Umfeld gewaltig verändert.

Palmöl-Plantagen

Ngabang ist „Kantonshauptort“ am Landakfluss gelegen, Schul- und Handelsmetropole) Das bunt gemischte Landschaftsbild aus Wäldern, Reisfeldern und Gummiplantagen, welche noch vor 20 Jahren die Strasse ins Landesinnere bestimmte, ist eintönig geworden. Mit dem Grossaufmarsch der Ölpalmenplantagen haben die “Landschaftsgärtner” ihre Fantasie dem Profit geopfert. Für billiges Geld wechselten die Ländereien der Dorfbewohner in die Hände der Plantagenbosse. Im Gegenzug erhielten die Dörfer einen Anschluss an das Strassennetz der Ölpalmplatagen, das sich wie ein bizzarres Strickmuster über die Landschaft breitet. Die Wälder wurden grossflächig gerodet, Hügel eingeebnet und kleine Wasserläufe aufgeschüttet. Die grossflächigen Erdarbeiten erhöhten die Erderosion, was zu einer enormen – schon Jahre andauernden – Verschmutzung der Flüsse geführt hat, sodass das Flusswasser fast nicht mehr zu gebrauchen ist. Geblendet durch grosse Versprechen vom Goldsegen der Ölpalmen, steckten viele Dorfbewohner selbst Reisfelder und Gummibaumplantagen – ihre gesamte traditionelle Existenzgrundlage – bereitwillig in den Rachen der Ölpalmplantagen und hängen nun vollends am “Rockzipfel” der Ölpalmplantagen.

Das grosse Geld allerdings hält sich bis anhin in Grenzen. Oft reicht es gerade mal für’s Existenzminimum der Familie. Mancherorts hat sich bereits Ernüchterung eingestellt.

Nicht nur das Landschaftsbild hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Auch das Sozialgefüge der Dörfer änderte sich. Die geschlossenen Dorfgemeinschaften öffneten sich, freie Bauern wurden zu Plantagen-Lohnarbeiter umfunktioniert und mit Projektgeldern wurden Schulen und Kapellen gebaut.

Die Pastoralarbeit

Es versteht sich von selbst, dass die Erschliessung und Umnutzung des Landes auch ein Wandel in der Pastoralarbeit mit sich brachte. Die Wege wurden kürzer und schneller. Die Menschen kamen sich näher, ihre Problemwelt verlagerte sich. Eine Neuorientierung war angesagt und neue pastorale Akzente stellten sich nach und nach ein.

Meine Pastoralbeit der ersten Jahre war noch mehrheitlich auf die Pastoralbesuchehre in die Dörfer hinaus ausgerichtet. Ich wollte das Pfarreigebiet kennenlernen, die Dörfer und die Menschen. Das verband sich damals noch mit harter Knochenarbeit. Tagelange Fussmärsche auf moratigen Trampelpfaden durch düstere Urwälder oder stundenlange Bootsfahrten auf dem Landakfluss über gefährliche Stromschnellen hinweg oder abenteuerliche Töfffahrten.

Dieses Arbeitsmodel hat sich nach und nach geändert, da auf der Missionsstation sich die Aktivitäten häuften. Dank der Erschliessung des Landes durch die Ölpalmenplantagen sind die Dorfbesuche für die einheimischen Mitbrüder etwas leichter geworden. Die Fahrtzeiten in die Dörfer hinaus haben sich auf 1-2 Stunden reduziert, vorausgesetzt der Fahrer verliert im Labyrinth der Planagenstrassen nicht die Orientierungt oder bleibt im Dreck regendurchweichter Naturstrassen nicht stecken.

Die stete Zunahme der Aktivitäten auf der Missionsstation forderte vermehrt die Präsenz des Pfarrteams. Die Bildungsarbeit wurde immer vorrangiger. Weiterbildung der Gemeindeleiter, Kkurse für Katecheten oder für Brautpaare, verschiedene Frauengruppen, Jugendtreffen, Sonntagsschule für Kinder usw. Auch die Schulen von MANAMAS (zur Zeit mit 1742 Schülern, 87 Lehrer/innen und 26 Angestellen) verlangten zunehmend die Präsenz des Pfarrers. Wegen meiner zusehens schwindenden Sehkraft war ich schon vor einigen Jahren gezwungen kürzer zu treten und habe mich aus der aktiven Pfarreiarbeit zurückgezogen. Aber als “Senior” mit etwas Erfahrungs- und Informationsvorsprungs kann ich mich immer noch vielfach nützlich einbringen.

Pfarrei: aus 1 wird 3

Zu Beginn meiner Missionstätigkeit zählte die Pfarrei Ngabang mehr als 200 Dorfgemeinschaften. Ein Riesending von einer Pfarrei! Da reichte es im Jahr kaum mehr als für einen Besuch pro Dorf. Das Pfarrteam, bestehend aus zwei Priestern (Kapuziner) und einem Katechist, reichte nicht für mehr. Mit der Erschliessung des Landes durch die Ölpalmplantagen wuchs auch das Verlangen der Dorfbewohner, das Dienstleistungsangebot der Pfarrei besser nutzen zu können. Das wurde erst möglich durch eine Aufteilung des Pfarreigebiets.

Seit Oktober letztenJahres ist die Pfarrei Ngabang in drei selbständige Pfarreien aufgeteilt worden. Die Pfarrei Ngabang begnügt sich fortan noch mit 80 Dorfgemeinschaften.

Kapuziner wird Bischof

Die Freude der Kapuziner auf Borneo ist gross. Erneut ist ein Mitbruder zum Bischofsdienst gerufen worden. Ende Januar 2017, nach dreijährigem Seilziehen und Rätselraten um den Bischofsitz von Sintang, 200 km von Ngabang entfernt im Landesinnern von West-Borneo, hat die Kirchenleitung von Rom endlich ihre Wahl getroffen. Samuel Oton Sidin heisst der neue Bischof. Er ist Dayak, also ein Einheimischer, ehemaliger Provinzial der Kapuziner von Pontianak (Hauptstadt von West-Borneo) und zuletzt Pfarrer der Kapuzinerpfarrei in Jakarta (Hauptstadt Indonesiens). Ich bin überzeugt, er wird es gut machen.

Dank

Abschliessend bekräftige ich nochmeils meinen Dank für alles Gute und euer Interesse an meinem Missionsdienst. In meinem Beten schicke ich euch viele gute Gedanken und empfehle euch der Obhut Gottes. Ich wünsche euch eine gesegnete Fastenzeit und bis bald ein frohes Osterfest.

Mit freundlichen Grüssen:

Jakob Willi, Kapuziner