Ein afrikanischer Priester und die Missionare

Der ghanesische Priester Anthony Manu erzählt, wie er das Wirken der europäischen Missionare einschätzt.

Mission aus der Sicht eines afrikanischen Priesters

Man hat sie „Seelenfänger“ genannt, hat ihnen „Jagd auf arme Heidenkinder“ vorgeworfen und empfiehlt ihnen auch heute immer wieder, doch endlich ihre Koffer zu packen: die Missionare.
Früher, das wissen wir, traten sie nur allzu oft als die grossen „Wohltäter“ bei uns in Afrika auf. Dünkelhaft war ihr Verhalten bisweilen. „Zivilisation“ glaubten sie uns bringen zu müssen. Aber, Hand aufs Herz: Wäre es gerecht, das „Kind mit dem Bad auszuschütten“? Ich meine nicht. Töricht wäre es bestenfalls. Dabei spreche ich als einer, der in seinem Land die Schwächen und Stärken der Missionare aus eigener Anschauung kennt.
Wenn Zeitgenossen heute noch immer eilfertig behaupten, Mission sei ein alter Hut, kann ich einfach nicht umhin, an die Stärke der Missionare zu denken: Ihre Arbeit und damit die grenzüberschreitende christliche Solidarität zwischen Völkern, Rassen und Ortskirchen müssen weitergehen. Sie gehören zur Kirche wie „das Salz in der Suppe“ und wie „die Luft zum Atmen“.

Pionierleistungen
Missionare sind Leute, die „Leben einhauchen“. Es sind Leute, die Brücken schlagen. Es sind Propheten in einer Welt, die den Ärmsten der Armen immer weniger aufs Maul schaut. Missionare sind heute mehr denn je „Sprachrohr der Schwachen“. Würde man sich ohne die hartnäckigen Mahnungen der Missionare etwa an Gottes Verheissung erinnern, dass auch Afrikaner „Leben in Fülle“ haben sollen?
Kann man ihren unschätzbaren Beitrag zum Dialog zwischen den Religionen überhaupt ignorieren? Ist denn die Verwurzelung des christlichen Glaubens in unserer afrikanischen Kultur ohne die vielen Impulse der Missionare denkbar: ihre zahlreichen Studien zum Beispiel über unsere Sprache, unser Brauchtum und unsere angestammte Lebensphilosophie?

Rufer in der Wüste
Nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang den „Schrei der armen Völker nach Befreiung“: Häufig waren es in Afrika und auch in meiner Heimat Missionare, die Unrecht anklagten und verbriefte Rechte einforderten. Sie taten es, weil sie von der Würde aller Menschen überzeugt sind. Weil sie glauben, dass es vor Gott keine Privilegien für die angeblich „besser gelungenen Würfe“ seiner Schöpfung gibt. Sie liehen den Unterdrückten ihre Stimme und waren nicht selten „einsame Rufer in der Wüste“. Wie nur ganz wenige vor ihnen, erkannten die Missionare die revolutionäre Bedeutung des in unserer Kultur verankerten Grundsatzes, dass der Mensch in Harmonie mit Gott und seiner Schöpfung leben muss und sich jeder unweigerlich die Natur zum Feind macht, der sie missbraucht.
Auch in Sachen Gewaltlosigkeit haben uns die Missionare eine Lektion erteilt: Ihre einzigen „Waffen“ waren das gesprochene Wort und die Mitmenschlichkeit. Gewaltlosigkeit predigten sie vor allem dann, wenn die Brüderlichkeit – Herzstück unserer afrikanischen Gemeinschaften – wieder einmal mit Füssen getreten wurde.
Man hat die ausländischen Missionare die „Geburtshelfer unserer einheimischen Kirchen“ genannt. Kein Zweifel, das waren sie. Doch auch sie mussten erkennen, dass junge Kirchen – genauso wie junge Menschen – irgendwann selbständig sein wollen. Ein Prozess der „Abnabelung“ fand statt. Ein schmerzlicher Prozess, wie wir alle wissen.
Umso bewundernswerter die Schnelligkeit, mit der sich das Gros der Missionare auf die neuen Regeln der Partnerschaft umzustellen verstand und so entscheidend dazu beitrug, dass das Zweite Vatikanische Konzil „Mission“ als “Auftrag der gesamten Kirche“ definierte. Von der früher praktizierten „missionarischen Eingleisigkeit“, der leider oft der Geruch kolonialer Arroganz anhaftete, kam man ab. Jede Ortskirche, so hielten die Konzilsväter fest, sei mitverantwortlich für die „Entfaltung des Reiches Gottes“ und habe ausserdem die Pflicht, in den Kulturen und Religionen unserer Welt nach den verborgenen Spuren Gottes zu suchen. Eine delikate Aufgabe, die viel Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme voraussetzt.

Vermittlerdienste
Wegen ihrer gründlichen Kenntnis unserer Lebensgewohnheiten und kulturellen Traditionen ist den Missionaren die Rolle des Vermittlers geradezu auf den Leib geschnitten.
Im heutigen „Babel der Sprachenverwirrung“, wo einzelne Menschen und ganze Völker aneinander vorbeireden, und wo man die Ängste und Hoffnungen der anderen nicht mehr zu interpretieren versteht, haben Vermittler Hochkonjunktur. Selbst in ihren jeweiligen Heimatländer können die Missionare als „kompetente Wanderer zwischen den Welten“ dazu beitragen, dass die Menschen verschiedener Kontinente enger zusammenrücken und sich endlich bewusst werden, alle in einem und demselben Boot zu sitzen. Mit anderen Worten: Die Weltgemeinschaft, von der wir träumen, braucht erfahrene und mutige Anwälte.
Anthony Manu, Ghana