Ein liberaler Kopf namens Ädu

In der Katholischen Kirche organisieren sich die liberalen Kräfte

Ihr Kopf ist der neue Leiter des Klosters Rapperswil: Adrian Müller. Immer wieder sorgt die konservative Fraktion der Katholischen Kirche für Schlagzeilen. Zuletzt mit dem umstrittenen Hirtenbrief des Churer Bischofs Vitus Huonder im letzten März. Jetzt verschaffen sich die liberalen Kräfte in der Kirche Gehör: Zu ihren Köpfen zählt Adrian Müller, der im September die Leitung des Klosters Rapperswil übernimmt. Der 47-jährige Kapuzinermönch ist Präsident des Vereins «Tagsatzung». Am 8. September zügelt Müller vom Kloster Wesemlin in Luzern an den Zürichsee. Ab dann übernimmt er die Leitung des Kapuzinerklosters zum Mitleben in Rapperswil. Der neue Guardian des Klosters ist ein erstaunlich liberaler Kopf. Mönch und Journalist

Unter den Brüdern des Klosters Rapperswil ist Müller kein Unbekannter: 2008 war er schon einmal Mitglied ihrer Gemeinschaft. Bevor er das Guardianat des Klosters im Luzernischen übernahm, war er in Rapperswil als Vikar im Seelsorgedienst tätig seine Hauptaufgabe war aber die Medienarbeit.

Das kommt nicht von ungefähr: Müller arbeitete 2007 über ein halbes Jahr lang für die «Linth-Zeitung». Die Basis für seine Arbeit als Journalist holte sich Müller bei seinem Studium der Erziehungswissenschaften mit Spezialisierung in Medienpädagogik.

Seither ist er nicht nur für die Geschicke des Klosters verantwortlich, er ist auch als Journalist tätig: neben seinem Blog, schreibt Müller für diverse Medien als freischaffender Journalist für das Kapuziner-Magazin «ITE» ist Müller als Redaktor tätig. Ausserdem ist er im Vorstand der Katholischen Presseagentur Kipa.

Dass er bei den Kapuzinern landen würde, hatte Müller nicht geplant. Nach der Kindheit in Basel und Bern und einer Lehre bei der Post, absolvierte er 1990 das Gymnasium Immensee.

Danach entschied er sich für ein Noviziat bei den Kapuzinern, in dessen Rahmen er Praktika in Gefängnissen und im Asyl- und Pflegebereich absolvierte. «Es gab kein Erweckungserlebnis in meiner Jugend», sagt Müller zu seinem Entscheid einer Religionsgemeinschaft beizutreten. Trotzdem: Müller wurde katholisch erzogen in seiner Jugend beschäftigte ihn die Frage nach dem Sinn, den er sich immer mehr auch religiös beantwortete, wie Müller sagt.

Ausserdem interessierte er sich als junger Mann für alternative Lebensgemeinschaften «abgekoppelt von der Ellbogengesellschaft in der wir leben», wie es der neue Klostervorsteher formuliert.

Schliesslich legte Müller nach seinem definitiven Beitritt zum Kapuzinerorden 1997 die Profess ab. Seither lebt er in verschiedenen Klostern des Ordens. Warum er sich für die Kapuziner entschieden hat? «Ich wollte einem Orden angehören, der keinen Besitz hat.» Die Brüder spenden einmal im Jahr ihren erwirtschafteten Überschuss und haben sonst keinen Besitz. Das Rapperswiler Kloster zum Mitleben zum Beispiel gehört der Ortsgemeinde.

Kirche ohne Ausgrenzung

Mit Müllers Übernahme des Guardianats in Rapperswil erhält die Stadt nicht nur einen Medienbewanderten Mönch, sondern auch einen führenden Kopf der reformorientierten Katholiken. Denn Müller ist gleichzeitig auch in der Vereinigung «Tagsatzung.ch» aktiv. Ziel des Vereins ist laut Statuten die Förderung des Dialogs «für eine glaubwürdige und zukunftsfähige Kirche».

Wie diese zukunftsfähige Kirche aussieht, formuliert Müller auch gleich aus: «Wir wollen eine Kirche ohne Ausgrenzungen, in der Frauen, Verheiratete, Geschiedene und Wiederverheiratete sowie gleichgeschlechtlich Orientierte und andere diskriminierte Gruppen integriert sind», umriss Müller gegenüber dem Pfarreiforum der Katholischen Kirche die Zielsetzung des Vereins Tagsatzung. Die katholische Glaubensgemeinschaft sei in ihren unterschiedlichen Positionen schon immer breit gefächert gewesen «es gibt keine einheitliche katholische Ausrichtung», sagt Müller zu seiner liberalen Haltung.

Ganz im Gegensatz zur konservativen Position des Churer Bischofs, der in seinem Hirtenbrief die Verweigerung der Sakramente an Wiederverheiratete und Geschiedene empfahl. «Die Wahrheit muss ausdiskutiert werden», sagt Müller dazu, «sie liegt nicht pfannenfertig zur Verkündung bereit».

Cyrill Pinto, Rapperswil-Jona.