Interview mit Sr. Sabine

Um sich für das Stimmrecht von Ordensfrauen an der Amazonien-Synode einzusetzen hat Voices of faith zu einem Event für Ordensfrauen nach Rom eingeladen. Es fand am 3. Oktober statt. Sr. Sabine Lustenberger von den Kapuzinerinnen St. Klara in Stans war dabei.

  1. Sr. Sabine, was war deine persönliche Motivation nach Rom zu reisen?
Sr. Sabine auf dem Petersplatz © Sr. Beatrice Kohler, 2019.

Die an der Amazonien-Synode teilnehmenden Ordensfrauen haben kein Stimmrecht, obwohl sie beratend beteiligt sind. Gleichgestelle Ordensbrüder jedoch können stimmen. Das empfinde ich als Ungerechtigkeit weil es zeigt, dass das Geschlecht ausschlaggebend ist für das Stimmrecht.

 

Das Anliegen, für das Stimmrecht von Frauen einzustehen, wollte und will ich mittragen. Es passt zu meiner Überzeugung, dass Frauen und Männer in der Kirche gemeinsam unterwegs sein sollen, dass Entscheidungen geschwisterlich miteinander gefällt werden müssen. Das ist für mich auch begründet in der franziskanischen Spiritualität.

  1. Was ist das Ziel von Voices of faith?

Auf der Website von Voices of faith ist folgendes zu lesen:

Die katholische Kirche befindet sich in einer tiefen Krise. Eine neue Generation von Katholiken und Katholikinnen hinterfragt die kirchliche Hierarchie und ihre Reaktion auf eine sich verändernde Welt und deren aufkommende Probleme wie beispielsweise den Sexual- und Machtmissbrauch. Verschaffen Sie Ihrer Stimme Gehör – durch unsere globale Kampagne #overcomingsilence (voicesoffaith.org).

  1. Aus wie vielen Ländern kamen Schwestern und wie habt ihr euch gegenseitig abgesprochen?

Aus 10 verschiedenen Ländern waren Ordensfrauen als Speakerinnen am Event beteiligt. Die Schwestern haben aus ihrer Erfahrung hinsichtlich der Stellung von Frauen in der Kirche gesprochen und haben ihren kulturellen Hintergrund einfliessen lassen. Es waren Ordensfrauen da aus Senegal, Philippinen, Spanien, Bolivien, Indien, USA, Australien, Schweden, Deutschland und Schweiz. Dieser Event zeigte deutlich, dass die Frage nach der Gleichberechtigung in der Kirche keine „nur“ westliche ist. Frauen, Ordensfrauen, auf verschiedenen Kontinenten arbeiten auf einen Bewusstseinswandel bei Männern und Frauen und auf eine Veränderung hin.

Die Speakerinnen und die Organisatorinnen von Voices of faith und unsere Reisegruppe wohnten im selben Hotel. Da ergaben sich immer wieder wertvolle Begegnungen beim Frühstück, in der Hotellobby, vor dem Eingang usw. und bereichernde Kontakte wurden geknüpft und ein reger Austausch fand statt. Dies empfand ich als grosse Bereicherung. Es war schön und anregend, so spontan mit den verschiedenen Frauen in Kontakt zu sein.

Schweizer Reisegruppe mit Frauen von ‘voices of faith’ beim Donnerstagsgebet vor der Synoden-Türe © Wolfgang Schmidt, 2019.

 

  1. Welche Erfahrungen habt ihr mit kirchlichen Stellen in Rom gemacht?

Chantal Götz von Voices of faith hatte eine Begegnung und ein Gespräch mit Kardinal Kurt Koch organisiert. Er hat sich viel Zeit dafür genommen und uns in seinen Räumlichkeiten empfangen. Das Gespräch an sich empfand ich und empfanden wir in der Gruppe als schwierig. Ich hatte den Eindruck, dass da „Welten“ aufeinander prallen. Für das Anliegen, dass Ordensfrauen an der Synode abstimmen dürften, hatte der Kardinal ein offenes Ohr und er bestätigte, dass er die jetzige Situation auch als ungerecht ansieht.

Die Frage, ob er sich an der Synode für dieses Anliegen persönlich öffentlich einsetzen würde, konnte er nicht positiv beantworten. Er sieht keine Möglichkeit für sich, an der Synode für diesen geforderten Schritt das Wort zu ergreifen.

Dies war enttäuschend für uns. Die Frage blieb bei uns offen, wer sich an der Synode dafür einsetzen wird.

Am Event präsent war als einziger Bischof der Bischof des Bistums Basel, Felix Gmür. Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr und Bischof Felix führten ein Gespräch über die Situation der Frauen in der katholischen Kirche in der Schweiz. Dass Bischof Felix persönlich da war, sich dem Thema und den Fragen gestellt hat, rechne ich ihm hoch an. Ich empfinde das als nicht selbstverständlich.

Zuzanna Flisowska, die General Managerin von Voices of faith, merkte an, dass sie im Vorfeld des Events hundert Briefe – Einladungen – in den Vatikan und an kirchliche Stellen in Rom verschickt hatte und keine einzige Reaktion darauf bekommen hat. Dies zu hören war schon ziemlich ernüchternd. Umso wertvoller waren die Präsenz von Bischof Felix und die Zeit, die sich Kardinal Koch trotz aller Differenzen genommen hatte.

  1. Wie habt ihr in der Gemeinschaft der Kapuzinerinnen in Stans dieses Thema von Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche diskutiert?
Sr. Ruth Degonda, Sr. Beatrice Kohler, Sr. Sabine Lustenberger beim Trevi-Brunnen © Chantal Götz, 2019.

Im Vorfeld der Reise habe ich viel gelesen und meinen Mitschwestern davon berichtet. Das bewirkte gute Diskussionen und ich erfuhr, dass die Schwestern hinter meiner Reise und der Teilnahme am Event stehen. Ich spürte, dass mein Engagement nicht mein „privates Hobby“ sein muss, sondern dass die Gemeinschaft dahinter steht. Das war für mich sehr kostbar – ist es bis heute.

Ich verfolge die Berichte über den Verlauf der Synode auf Vatican news und drucke für die Schwestern, die keinen Zugang haben zum Internet, die Berichte aus. Das hält uns wach.

  1. Wie geht die Arbeit von Voices of faith weiter? Welche weiteren Schritte sind geplant?

Am Tag vor der Rückreise nahm ich an der Auswertung des Events teil. Wir bildeten eine englisch sprachige und eine deutsch sprechende Gruppe. Die Auswertung in unserer Gruppe ergab, dass sich der Event und die Reise gelohnt haben und wir einander bestärken und einander ermutigen konnten, an der Frage der Gleichberechtigung über Kontinente hinweg dran zu bleiben.

Die Auswertungen werden von Voices of faith übersetzt und uns dann zugestellt.

Die Schweizer Reisegruppe hat vor, sich an einem Nachtreffen auszutauschen und dann zu besprechen, auf welchen Wegen das Engagement weiter gehen kann.

Im Moment geht es darum, das Erlebte setzen zu lassen. Einander Mut zu zusprechen, den Kopf nicht hängen zu lassen, sollte der Papst entscheiden, dass die Frauen auch diesmal nicht stimmen dürfen.

Viele Menschen unterstützen die Frauen im Kampf um die Gleichberechtigung. Dies ist unter anderem auf der Website von Voices of faith sichtbar, auf der viele Menschen ihr Gesicht zeigen und ihre Hoffnung ausdrücken auf einen Wandel in der katholischen Kirche.

In Rom haben Passanten uns spontan applaudiert, als wir vor der verschlossenen Türe des Synodengebäudes das Donnerstagsgebet gebetet haben. Ein Mann aus den Philippinen hat unser Singen spontan mit dirigiert und er war sichtlich berührt davon. Andere haben den Daumen hoch gehalten, applaudiert und uns zugerufen: „We pray for you, good luck“! Das hat mich sehr berührt und gefreut und gibt mir Mut für das Engagement.

Interviewfragen von Br. WIlli Anderau.

Gruppenbild der Schweizer Reisegruppe auf dem Petersplatz © Wolfgang Schmidt, 2019.

Sabine Lustenberger

Sabine Lustenberger, Kapuzinerin.
Lebt im Kapuzinerinnenkloster St. Klara in Stans.
Tätig in der Leitung der Gemeinschaft, in Seelsorge und im Klosterhaushalt.
Sie begleitet Exerzitien und bietet Geistliche Begleitung an.