ite 2/20: Mystik – der Geist Gottes weht, wo er will …

Was ist genau mit „Mystik“ und „Spiritualität“ gemeint?

In Zeiten von Corona gerät auch der stark auf gemeinschaftlichen Erlebnissen und Ritualen fussende christliche Glaube, gerade auch in der katholischen Kirche, in eine grosse Krise. Da sind gestreamte Gottesdienste, Internet-Gebetskreise oder Online-Beichtmöglichkeiten nur ein «schwacher Behelf», wie Michael Meier in einem Leitartikel vom 10. April 2020 im Tagesanzeiger schreibt. Die weitaus überzeugendere Alternative sei ein «selbstbestimmter mystischer Glaube des Herzens».

Hier trifft die aktuelle Ausgabe von ITE zum Thema «Mystik», die noch knapp vor dem eigentlichen Ausbruch der Corona-Pandemie produziert wurde, genau den Nerv der Zeit. In den jetzigen schwierigen Zeiten, wo enge soziale Kontakte auf breiter Front «geächtet» und das gemeinsame Loben und Preisen von Gott auf später verschoben werden, kann es nur gut tun, dem Geheimnis Gottes im eigenen Inneren näher zu kommen. Dazu gibt es in der Kirchengeschichte wunderbare, undogmatische und weltoffene Vorbilder, denen ITE 2-2020 nachgeht: Etwa das Konzept der «mystischen Weltliebe» von Franz von Assisi, in Poesie gefasst im berühmten Sonnengesang; Der heilige Bruder Klaus, der in der krisengeplagten Zeit vor der Reformation in der Schweiz für viele Menschen zu einem Halt- und Ausgangspunkt für die eigene, ganz persönliche Suche nach Gott wurde: Oder der mittelalterliche Franziskaner Ramón Llull, der aufzeigte, wie verschiedene Religionen einander spirituell bereichern können, wenn sie Freundinnen werden.

In der christlichen Mystik spielen aber auch Frauen, insbesondere Ordensfrauen, eine zentrale Rolle, wie ITE in verschiedenen Beiträgen weiter ausführt: Beispielsweise Klara von Assisi und ihr Konzept der Spiegelmystik oder Hildegard von Bingen. Eines ist allen christlichen Mystikerinnen und Mystikern eigen: Ihr Gott ist keiner Gott der Dogmen, Lehrsätze und moralischen Tugenden oder Untugenden, sondern er/sie/es hat ein sehr offenes, zu freiem Denken anregendes Profil.

Damit schlagen sie interessanterweise auch einen Bogen zu einer wachsenden aktuellen Bewegung von Denkerinnen und Denkern, die Spiritualität ohne direkten Gottesbezug leben will, Spiritualität als Gefühl einer tiefen Verbundenheit mit dem Aufgehoben-Sein im grossen Ganzen, wie Irene Neubauer in ihrem Beitrag herausschält. Letztlich aber sei bei unserer Spiritualität, so die Autorin mit Verweis auf den Berner Schriftstelle Lorenz Marti, sei nicht der richtige Glaube, sondern das richtige Handeln entscheidend. «Es gilt, Seite an Seite unterwegs zu sein, staunend über das Geheimnis des Lebens auf diesem winzigen Planeten im riesigen Kosmos, fragend nach dem guten Leben, sich zusammentun im Engagement dafür – verbunden in einer lebensfreundlichen, spirituellen Grundhaltung.»

Gratis-Probenummern bei: Missionsprokura Schweizer Kapuziner, Postfach 1017, 4601 Olten. Telefon: 062 212 77 70. E-Mail: abo@kapuziner.org

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