Kirche ist missionarisch – hier und überall

Unter diesem Titel hielt Teres Steiger-Graf, Luzern an der Konzilstagung der Uni Luzern das folgende Impulsreferat (21. November 2015)

Zu ihren Wesensmerkmalen zählte die Kirche die missionarische Dimension. Diese bestand in der Verkündigung des Wortes Gottes mit dem Ziel, die Kirche in einem bestimmten Kulturkreis einzupflanzen. Im Vordergrund standen der Bau kirchlicher und missionarischer Zentren sowie die Ausbreitung des Glaubens durch die Bekehrung von sogenannten Un- und Andersgläubigen. Die missionarische Tätigkeit war in der Regel von europäischen Norm- und Wertvorstellungen stark geprägt. Es entstanden Kopien der europäischen Mutterkirche und Projekte, welche die europäischen Schul- und Ausbildungssysteme, Spitäler usw. kopierten. Ihr Überleben war in der Regel wegen einer fehlenden Inkulturierung auf die Präsenz der Missionare begrenzt.

Unter Mission verstehen wir heute die Herausforderung , Menschen – unabhängig von ihrem religiösen Glauben – in den unterschiedlichsten Situationen zu begleiten, ihnen Halt zu geben, sie zu befähigen, zu ermächtigen und sie zu einer Auseinandersetzung mit der Sinnfrage ihres Lebens anzuleiten. Menschen bei der Suche nach ihrem Lebenssinn zu begleiten, heisst auch, sie zur Begegnung mit sich selber zu ermutigen, sie hinzuführen und ihre eigene Lebenssituation zu reflektieren, so dass daraus Handlungsoptionen entstehen können.

Eine Fachperson, die in diesem Sinne missionarisch tätig ist, muss sich selber akzeptieren und authentisch sein, um offen für andere Kulturen zu sein und um andern zu begegnen und mitteilen zu können, was ihrem eigenen Leben Profil gibt. Dabei soll das Gegenüber nicht vereinnahmt werden oder gar die eigene Weltanschauung aufgezwungen werden

Was bedeutet dies konkret?

Kirche ist missionarisch – hier

Als ein Beispiel sei hier die kirchliche Gassenarbeit Luzern genannt. Die kirchliche Gassenarbeit Luzern begleitet, berät und unterstützt Menschen in Krisensituationen wie Suchtabhängige oder Obdachlose und unterstützt beispielsweise auch Kinder von suchtabhängigen Eltern. Die Begleitung beschränkt sich nicht auf Sozialarbeit. Den einzelnen Menschen in seiner schwierigen und oft prekären Situation zu begleiten, ihm zu zuhören und so gut es geht Halt zu geben, stehen hier im Vordergrund. Solche aufsuchende seelsorgerliche Arbeit aus einer christlichen Grundhaltung heraus ist ein zentrales Merkmal der Gassenarbeit. In der Begegnung Menschen zu unterstützen, mit ihnen Schritte zu planen, die in ihrem Vermögen liegen, um aus einer Situation herauszukommen, die menschliches Leben zu einer Last macht.

Kirche ist missionarisch – überall

Ulrike Purrer, Theologin und Übersetzerin, lebt und arbeitet als Fachperson von COMUNDO in Tumaco, Kolumbien. Im Auftrag der Diözese Tumaco begleitet sie in regelmässigen Gruppenstunden und persönlichen Gesprächen Kinder und Jugendliche in ihrem von Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt geprägten Alltag. Gemeinsam entwickeln sie eigene Lebensziele, die auf klaren Werten basieren: Gewaltfreiheit, Toleranz, Solidarität und soziale Gerechtigkeit.

Ebenso unterstützt Ulrike Purrer junge Erwachsene bei der Suche von Stipendien, Arbeitsmöglichkeiten und beim Aufbau von Kleinunternehmen (Schneiderei, Stoffe bedrucken, Haare schneiden).

Auf diözesaner Ebene bildet sie Jugendliche zu JugendleiterInnen aus, die zu wichtigen Akteuren in ihrem Umfeld werden. So können sich auch Jugendliche durch regelmässige Treffen der diözesanen Jugendpastoral miteinander vernetzen.

  • Durch diese Art von Jugendarbeit übernehmen die Jugendlichen aktiv Verantwortung für ihr Leben und ihr Stadtviertel.
  • Die Kinder und Jugendlichen vertreten klare Werte wie Gewaltfreiheit, Toleranz, Solidarität und soziale Gerechtigkeit.
  • Informationen zur Politik und Gesellschaft im In- und Ausland helfen ihnen, den Alltag und ihren Lebensentwurf auszurichten.
  • Die Kinder und Jugendlichen tragen ihre Konflikte zunehmend gewaltfrei aus. Mit dem Jugendzentrum haben sie einen Ort der Gewaltfreiheit, Toleranz, Kreativität und Bildung inmitten des Konflikts.

Für diese Art von Arbeit ist die Partnerorganisation vor Ort ein wichtiger Faktor, ohne die solche Projekte nicht realisiert werden könnten. Die Auswahl der Partnerorganisationen sowie die Klärung der Projekte setzt sorgfältige Prüfung voraus.

Was ist die Motivation für das Projekt? Entspricht das Projekt dem Bedürfnis der Zielgruppe, ist es gar von der Zielgruppe selber entwickelt worden oder ist es mehr ein Projekt der Hilfsorganisation oder gar eine Selbstverwirklichung eines Einzelnen?

Bei kirchlichen Partnerorganisationen muss unter Einbezug aller soziokultureller Faktoren beurteilt werden, wie und in welchem Ausmass bei religiös motivierenden Aktivitäten auch soziale Gerechtigkeit und somit eine entsprechende Entwicklung gefördert wird.

Auch bei andern Partnerorganisationen ist die Motivation elementar. Aus welcher Haltung heraus wird eine Aktivität, ein Projekt geplant? Ist sie interessengeleitet, also stehen parteiliche, finanzielle oder beispielsweise staatliche Interessen im Vordergrund? Steht hinter der Motivation eine fundamentalistische Haltung?

Im Zentrum der missionarischen Kirche steht eine ganzheitliche Entwicklung des Einzelnen, ihn zu befähigen, sich selber eine Meinung zu bilden und entsprechende Handlungsoptionen zu erarbeiten.

Teres Steiger-Graf, Luzern, Geschäftsleiterin Comundo