Mut zur Mission

„Missionieren“ hat einen schlechten Klang. Was dann mit dem Auftrag des Konzils, die Kirche müsse „missionarisch“ sein?

Wer heutzutage auf öffentlichem Grund „missioniert“, macht sich unbeliebt. Dazu Alexander Foitzik:

Bibelschwingende Bußprediger im samstäglichen Gewühl städtischer Fussgängerzonen, euphorische Bekehrungszeugnisse in freikirchlichen Evangelisierungsevents oder auch schon das demonstrative Bekenntnis auf der Autoheckklappe – wer durchschnittlich volkskirchlich sozialisiert ist, wird eher mit Befremden und Skepsis auf solche missionarischen Bemühungen reagieren. Mit apokalyptischen Bibelversen oder evangelikalem Liedgut, mit so schlichten Botschaften wie „Gott ist da“ oder „Jesus liebt dich“ den eigenen Glauben der Öffentlichkeit auszusetzen, dürfte das Gros der Christen in unserem Land reichlich abwegig bis unvorstellbar ankommen.

Trotz allem: Das Konzil hat betont, die Kirche sei ihrem Wesen nach „missionarisch“. In der kirchlichen Wirklichkeit ist davon oft wenig zu spüren. Nochmals Foitzik:

Mission bleibt trotz der vielen aktuellen Versuche zu einer Neubewertung – fast schon verwandt der Totschlagvokabel „Fundamentalismus“ – ein Negativbegriff, synonym für Indoktrination, für ideologisches und fanatisches Vorgehen, für Überheblichkeit und die Allianz von Verkündigung und unlauteren Interessen. So meint im (kirchlichen) Alltagssprachgebrauch „ohne missionarische Absicht“ auftreten, selbst- und absichtslos, respektvoll zu handeln, vor allem aber – dies ist der leuchtende Gegenbegriff – dialogbereit zu sein. Erschwert wird die Auseinandersetzung aber auch dort, wo für fehlenden Missionseifer im eigenen Haus wieder einmal die üblichen Verdächtigen verhaftet werden, und die Sorge um die Zukunft von Glaube und Kirche zu pauschalen Schuldzuweisungen verleitet. Wer den fehlenden missionarischen Impuls nur auf Bequemlichkeit oder auf die Strukturen-Fixierung bestimmter kirchlicher Kreise reduziert, auf frustriert-selbstquälerischen Kirchenhass, verklemmten Skeptizismus oder Relativismus, bleibt an der Oberfläche des Problems. Auch wenn in jedem dieser Vorwürfe ein Körnchen Wahrheit steckt.
Vielmehr sind Anliegen und Auftrag „Mission“ noch lange nicht auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens angekommen.
Zur Mission im eigenen Land werden nicht nur weitere Verständigungsprozesse nötig sein, es wird vor allem ein Ruck durch die Kirchen gehen müssen. Nicht zuletzt sollte auch die Theologie zur praktischen Bewältigung der neuen missionarischen Situation Hilfestellung geben und mithelfen, unbegründete Vorbehalte und Befangenheiten abzubauen. Mit wohlmeinenden Appellen der Kirchenleitungen allein lassen sich in jedem Fall nicht die zahlreichen kulturellen und mentalitätsbedingten Barrieren überwinden, die dem geforderten missionarischen Engagement im Wege stehen.
So muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Großteil der Adressaten solcher Missionsaufrufe nach wie vor volkskirchlich sozialisiert und geprägt ist. Wer aber selbst noch in eine halbwegs selbstverständliche Kirchlichkeit hineingewachsen ist, wird sich schwer tun mit einer Aufgabe, die lange Zeit fraglos wenige „Spezialisten“ in fernen Kontinenten übernommen haben und die man allenfalls finanziell unterstützt hatte. Entsprechend dieser Prägung fallen aber auch die Reaktionen auf neue Minderheitenerfahrungen aus. Ängstliches Bestandsichern oder auch Abschließungstendenzen sind verständlich.
Barrieren stehen aber auch da, wo jeder einzelne Christ, jede einzelne Christin gefordert ist, den eigenen Standpunkt zu finden in einer pluralistischen Gesellschaft, in der der geschuldete Respekt und die Toleranz gerade gegenüber weltanschaulichen Oberzeugungen zu einer weitverbreiteten Mentalität des „jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden“ degeneriert ist. Selbst wenn ich von der Bedeutung des Glaubens in meinem Leben noch so überzeugt bin, wird es mir unter solchen Um­ständen schwer fallen, andere mit dieser Erfahrung zu konfrontieren.
Die mühsame Gratwanderung zwischen sozialer Indifferenz und dem angemessenen Respekt vor der Freiheit des anderen ist geradezu zur Signatur unserer Gesellschaft geworden. Für die Neubesinnung auf die missionarische Verantwortung gegenüber unseren gottlos-glücklichen Zeitgenossen liegt hier die grösste Herausforderung.

Fortsetzung folgt.