O mein Heimatland

Der Nebel liegt vor dem Fenster meiner Klosterzelle. Alles steht Grau in Grau. Da kann man sich kaum für die Schönheit des Schweizerlandes begeistern. Und doch weiss man, dass die Schweiz ein schönes Land ist. Auf kleinem Raum die massigen Berge mit der weissen Schneelandschaft und den zerhackten Felsen; so etwa vom Pilatus aus gesehen. Dazwischen die dunkeln Wälder, die Wiesen und die Alpen. Aber auch das weite Land, wellig und hügelig, von Bächen und Flüssen durchströmt. Und dann – vielleicht vom Gubel über Menzingen aus – der Blick in die weite Ebene des Mittellandes über die Aare bis hinunter an den Rhein.

Ja, die Schweiz ist ein schönes Land! Das wissen die Menschen in aller Welt. Für viele, die nicht hier wohnen, ist es eine Ehrensache, einmal ein Stück Schweizer Landschaft gesehen und erlebt zu haben.

Hinschauen

Wissen wir das auch, die wir mitten in dieser Landschaft wohnen? Wir sind zumeist eingeschlossen in den kleinen Raum unserer Alltagswelt. Und was man alle Tage sieht und besitzt, verliert an Reiz, an Farbe und Form. Doch birgt auch das kleine Stück unserer täglichen Umwelt viel an reizenden Dingen und lebendigen Wesen.

Wenn wir uns die Musse nehmen, recht hinzuschauen, entdecken wir so viel Schönes in unserer Alltagsnähe: im Haus, im Hof, an Bäumen und Sträuchern. Freilich ist uns da manches zur Gewohnheit und zur Selbstverständlichkeit geworden. Man nimmt es, gebraucht und verbraucht die Dinge oder legt sie wieder achtlos zur Seite. Wir gehen hinweg über Worte und Eindrücke, über Ereignisse und Zufälligkeiten, ohne auf ihren Sinn zu achten.

Merken wir doch zuweilen auf und richten wir das Auge auf die vertrauten Kleinigkeiten. Nehmen wir uns Zeit, hinzuschauen und dabei etwas zu verweilen. Nicht nur sehen, sondern schauen, bedenken, erfühlen sollen wir. So werden uns die Dinge und Ereignisse vertraut. Sie schenken uns Erleben, Genuss und Freude. Alltagserlebnisse erhalten plötzlich Sinn und Bedeutung.

Bedrohte Umwelt

So viel Schönes und Reizendes ist uns in die Hand gegeben. Und so viel Schönes und Grossartiges bietet uns die Umwelt. Alles unserer Sorge anvertraut. Wissen wir, wie bedroht unsere Umwelt ist? Bedenken wir, wie durch Unachtsamkeit und Eile manches gefährdet ist oder in Brüche geht.

Technik und Fortschritt sind gut. Sie schenken viel an Vorteil und Lebensqualität. Aber keines Menschen Werk ist vollkommen. Jede Erfindung und jeder Fortschritt verlangt auch einen Preis. Und was dem einen zum Nutzen ist, kann dem andern zum Schaden sein. Aber mit Verstand, Sorgfalt und Selbstbescheidung können wir viel Ungutes verhindern.

Vergessen wir auch Den nicht, der die Welt und unsere Heimat so grossartig geschaffen und so viel an Möglichkeiten in sie hineingelegt hat; den Menschen und jedem persönlich zur Freude und zum Heil.

Engelbert Ming