Mitglieder der franziskanischen Familie veröffentlichen hier alle zwei Wochen einen Blogbeitrag. Sie kommentieren aus persönlicher Sicht aktuelle Ereignisse.
Die Frage nach den möglichen Auswirkungen des apostolischen Schreibens QA darf nicht nur, sie muss gestellt werden. Zu Recht wir der Hauptteil des Schreibens sehr gelobt, nicht nur wegen der ansprechenden, teilweise sogar poetischen Form, sondern vor allem auch wegen des empathischen Einsatzes für die Menschen und die Natur im Amazonas. Das Schreiben vermag aufzurütteln. Aber kann es auch an den entscheidenden Stellen etwas verändern?
Also weitgehend keine Veränderung? QA – ein schönes Papier? Nicht nur. QA wird weiter Veränderungen an der kirchlichen Basis auslösen. Das Warten auf Hoffnungszeichen aus Rom, das Warten darauf, wer in der zerstrittenen Kurie momentan die Oberhand gewinnt, verliert an Bedeutung. Die offene Situation in der Kirche öffnet auch Entscheidungsraum, der zunehmend wahrgenommen wird. Vorerst noch etwas verborgen, aber immer mutiger und öffentlicher. «Querida Amazonia» ist ein nachhaltiger Beitrag zur Entwicklung von mündigen, selbständigen Christen und zu einem neu aufgestellten Volk Gottes. Ob das vielleicht sogar eine versteckte Absicht von Papst Franziskus ist? Gott weiss es.
«Manchmal ist Gewalt zwingend»: Dieser Titel steht in der deutschen Wochenzeitung ZEIT über einem Interview mit dem evangelischen Militärbischof Sigurd Rink. Dieser gesteht, er sei als Theologiestudent «Radikalpazifist» gewesen. Inzwischen sieht er den Einsatz militärischer Gewalt in vielen Fällen durchaus berechtigt, sonst wäre er ja nicht zu seinem hohen Amt gekommen.
Der Bischof sieht zwar in der «Jesus-Option» der Gewaltfreiheit (nicht zurückschlagen, sondern die andere Wange hinhalten!) durchaus «einen politischen Sinn». Aber damit hat es sich’s schon. Kein Wort über die Methoden der gewaltfreien, «sozialen Verteidigung». Gerade als Deutscher müsste der Mann sich daran erinnern, dass nicht die hunderte Milliarden schwere westliche Rüstung dem östlichen Teil seines Landes, ja ganz Osteuropa die Befreiung von der Diktatur gebracht hat; sondern die friedlichen Proteste: nicht mit Waffen, sondern mit Kerzen in der Hand …
Kerze für den Frieden | © Beat Pfammatter 2019
Der Militärbischof beklagt auch nicht, dass immer noch Milliarden für Waffen ausgegeben werden, während für Friedensforschung nur Brosamen abfallen. Dies ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz der Fall.
Szenenwechsel: Vor einigen Monaten verteidigte im «Wort zum Sonntag» des Schweizer Fernsehens ein Feldprediger – in Uniform! – die militärische Option. Ist sein gutes Recht! Warum hat er aber nicht auch auf gewaltfreie Alternativen im Sinne der Bergpredigt hingewiesen?
Noch was hätte ich von ihm erwartet: den Hinweis, dass die Rüstung Ressourcen auffrisst, die für Zwecke wie Armutsbekämpfung dringend gebraucht werden. Man erinnert sich vielleicht noch an das Wort, das Dorothee Sölle seligen Angedenkens angesichts des Westrüstens der 1980er-Jahre oft und oft gesagt hat: «The bombs are falling now.» Im Klartext: Bomben zerstören Leben, auch wenn sie nicht abgeworfen werden. Das Geld, das für sie ausgegeben wird, könnte millionenfach (vor allem im globalen Süden) Leben retten.
PS: Ich behaupte, meine Argumentation sei nicht so sehr von der GSoa/Gruppe für eine Schweiz ohne Armee beeinflusst, sondern vielmehr von der franziskanischen Spiritualität; und von der Bewegung Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung/GFS, die vor genau 30 Jahren ihn Basel ihren Höhepunkt erreichte ….