Mitglieder der franziskanischen Familie veröffentlichen hier alle zwei Wochen einen Blogbeitrag. Sie kommentieren aus persönlicher Sicht aktuelle Ereignisse.
Die Frage nach den möglichen Auswirkungen des apostolischen Schreibens QA darf nicht nur, sie muss gestellt werden. Zu Recht wir der Hauptteil des Schreibens sehr gelobt, nicht nur wegen der ansprechenden, teilweise sogar poetischen Form, sondern vor allem auch wegen des empathischen Einsatzes für die Menschen und die Natur im Amazonas. Das Schreiben vermag aufzurütteln. Aber kann es auch an den entscheidenden Stellen etwas verändern?
Also weitgehend keine Veränderung? QA – ein schönes Papier? Nicht nur. QA wird weiter Veränderungen an der kirchlichen Basis auslösen. Das Warten auf Hoffnungszeichen aus Rom, das Warten darauf, wer in der zerstrittenen Kurie momentan die Oberhand gewinnt, verliert an Bedeutung. Die offene Situation in der Kirche öffnet auch Entscheidungsraum, der zunehmend wahrgenommen wird. Vorerst noch etwas verborgen, aber immer mutiger und öffentlicher. «Querida Amazonia» ist ein nachhaltiger Beitrag zur Entwicklung von mündigen, selbständigen Christen und zu einem neu aufgestellten Volk Gottes. Ob das vielleicht sogar eine versteckte Absicht von Papst Franziskus ist? Gott weiss es.
Gleich vorneweg: Die wunderschönen Worte, welche das päpstliche Schreiben «Querida Amazonia» über die Wässer und Wälder in Amazonien findet und die ernsten Worte zu Umweltschutz und gegen Ausbeutung, muss jedes franziskanische Herz höherschlagen lassen. Und dennoch kommt keine echte Freude auf, denn man mag gar nicht mehr recht zuhören, was die Kirche aus dem Fenster in die Welt hinausruft, solange sie ihre eigenen Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Nachdem 2/3 der Abstimmenden an der Amazons-Synode für die Zulassung von verheirateten Priestern votierten, hätte man eigentlich von Papst Franziskus, der doch die Bischöfe immer wieder zu mutigen Überlegungen auffordert, erwarten dürfen, dass er zumindest dieses kleine Schrittchen der kirchlichen Erneuerung gehen würde, wenigstens für die Menschen im «geliebten Amazonien». Aber nichts.
Interessant ist dagegen, dass im päpstlichen Schreiben das Wort «Zölibat» nie vorkommt, weder bei der Definition des Priesteramtes und schon gar nicht im positiven Sinne. Aufgefallen ist mir auch, dass der ehemalige Papst Benediktus XVI und Erzbischof Gänswein vom Vatikan zurückgepfiffen wurden, als sie ein Buch herausgeben wollten, in welchem der Zölibat hochgelobt werden sollte. Weiter fällt mir bei Papst Franziskus auf, dass er nicht müde wird, auch im Amazonas-Schreiben, mutige Wege der Erneuerung zu fordern, selbst Anpassung der Ämterstruktur in der Kirche. Aber er führt sie nicht aus. Er selber geht diese Wege nicht. Er kommt mir vor, wie einer der ein paar neue Lunten legt, darauf hinweist, sie selber aber nicht anzündet. Was passiert aber, wenn ein anderer sie anzündet? Ein Bischof zum Beispiel, der für die Aufhebung des Pflichtzölibates gestimmt hat und jetzt «viri probati» weiht? Was, wenn die Frauen, die im Amazonas-Schreiben erneut auf die Rolle der zudienenden Maria verweisen werden, die Geduld verlieren?
Es spitzt sich eine gefährliche Situation zu für die Kirche in Rom. Was geschieht, wenn die Bischöfe wirklich mutiger werden, wenn Laien und Kleriker zusammen eine geschwisterliche Kirche gestalten, gleichberechtigt mit den Frauen? Ja, was dann? Die hierarchisch aufgebaute Kirche zerfällt. Und dann kann sich aus den Trümmern das Volk Gottes bilden, Männer und Frauen, die geschwisterlich gemeinsam den Weg durch diese Welt gehen. Ein vermessener Gedanke: Ob Papst Franziskus das gar beabsichtigt und provozieren will?