Von der Freude, «katholisch» zu sein

«Katholisch» hat heute in weiten Kreisen das Image von Enge, Rückständigkeit. Wer aber denkt noch daran, was das Wort ursprünglich bedeutete? Es kommt vom Griechischen und meint «den ganzen Erdkreis» umfassend, also «weltweit».

Mission ist etwas Zentrales in der Kirche. Sie ruft ihre ursprüngliche, weltweite Dimension in Erinnerung. Darum wählte MISSIO Schweiz vor vielen Jahren den Slogan «Fremde werden Freunde» für den Weltmissions-Sonntag. Die angesprochenen Katholiken wurden eingeladen, an ihre Mitchristen in allen Kontinenten zu denken. Menschen, die wegen ihrer Sitten, Sprachen und Hautfarben fremd und damit nicht selten bedrohlich wirken, möchten unsere Freunde werden. Oder vielmehr: sie sind es schon.

Auch mit den Christen anderer Länder und Kontinente hat Gott ja Freundschaft geschlossen. Auch für sie gelten die biblischen Worten «Ihr seid nicht mehr Fremdlinge» (Epheserbrief 2,19); «Ich habe Euch Freunde genannt» (Jesus an seine Jünger, Johannesevangelium 15,13). Wenn ich einen Freund habe, interessiere ich mich meistens auch für seine übrigen Freunde: «Deine Freunde sind auch meine Freunde.»

So weitet die Mission den sicher oft eng gewordenen Blick der Katholiken. Dabei entdecken die europäischen Christen immer mehr, dass sie nicht nur gut genug sind, Gaben für die Missionstätigkeit zu spenden. Sie erfahren, dass sie selber auch beschenkt werden. Die Herzlichkeit, Natürlichkeit und Spontaneität der Menschen in den südlichen Kontinenten sind Werte, die uns geistig bereichern können. Sie sind der Beweis dafür, dass der Mensch glücklicher wird, wenn er weniger kalt, berechnend und in sich verschlossen bleibt.

Diese Einsicht hat gerade auch für das Kirchenverständnis eine unübersehbare aktuelle Bedeutung. Statt uns im Streit um Kirchenstrukturen aufzureiben, kann sie uns befähigen, uns mehr dem eigentlichen Leben zuzuwenden. Sie kann uns darauf hinweisen, dass nicht die Kirche aus Steinen und Beton das Entscheidende ist, sondern die lebendige Gemeinschaft.

So lernen wir vielleicht wieder, dass Kirche-sein keine blosse Sache von dogmatischen Formulierungen ist. Wir entdecken, dass wir in der Kirche aufgerufen sind, miteinander Gott zu suchen. Indem wir miteinander uns der Freundschaft Gottes zuwenden, werden wir untereinander Freunde. Und umgekehrt: Während wir den nächsten als Freund und nicht als Fremden behandeln, spüren wir, dass Gott in dieser menschlichen Zuwendung schon anwesend ist.

Wenn ein solches Miteinander an den Landesgrenzen nicht halt macht, können wir so leben, dass Aussenstehende «katholisch» nicht mehr mit «eng, rückständig und borniert» verwechseln. Dann aber ist «katholisch» auch nicht mehr dazu da, um die Grenzen zu den Mitchristen anderer Konfessionen ein für allemal zu fixieren. Auch hier verbindet die gemeinsame Freundschaft mit Gott mehr als Meinungsverschiedenheiten um Streitfragen zu trennen vermögen.

Walter Ludin