Waren die Missionare rassistisch?

Walter Ludin, während Jahrzehnten Redaktor der Missions-/Eine-Welt-Zeitschrift ite, geht der Frage nach, ob der Rassismusvorwurf auf die Schweizer Kapuziner-Missionare zutrifft.

«Gott sei Dank fordern Afrikaner Recht und Unabhängigkeit

Die Bewegung Black Live Matter aber auch die Diskussionen über Rassismus hat das Pfarreiblatt bewogen, mit Walter Ludin, Kapuziner und Hanspeter Bisig über diese Themen ein Gespräch zu führen. Beim Rundgang durch das Museum der Schweizerischen Kapuziner kamen einige Gedanken auf.

«Die Arbeit in den Missionen war weniger geprägt durch Rassismus, sondern viel mehr durch ein soziales Gefälle, denn die Missionare aus westeuropäischen Ländern wurden von den Menschen in Afrika und Asien als reich und oft als allwissend empfangen und wahrgenommen», meint Kapuziner Walter Ludin. Er erinnert an einige Aussage von einem Kapuzinerbruder: «Auf einer gemeinsamen Schifffahrt nach Tansania warf ein bekannter Schweizer industrieller Namens Schmiedheini den Kapuzinern vor: Ihr macht einen grossen Fehler, indem ihr die Afrikaner ausbildet. Diese werden dadurch frech.»

Dennoch stand und steht für viele von ihnen die Überzeugung im Zentrum: «Im Vordergrund steht die Liebe zum Mitmenschen». Walter Ludin selber war nie in einem Einsatz in der «Entwicklungshilfe » aber oft auf Besuch. Hanspeter Bisig sieht das eher kritisch: «Viele Menschen aus Europa waren und sind auch heute noch überzeugt, dass ihre Kultur, ihr Wissen und ihre Werte auch in Staaten Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas gelten.»

Faires Zusammenleben gestalten
«Die Meinung, weisse Menschen sind etwas Besseres, ist nach wie vor in vielen Ländern prägend für die Beziehungen und die Zusammenarbeit. Daher ist es unsere Aufgabe, dies anzusprechen und aufzuzeigen, dass es andere Wege gibt», ist Walter Ludin überzeugt. Er erwähnt, dass bereits vor Jahren Frauen und Männer, die in Diensten verschiedenster Organisation tätig waren, es ermöglichten, ein faires Zusammenleben zu gestalten. Er erinnert auch an die wichtige Aufbauarbeit und sozialen Veränderungen, wie Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche und die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen. Schmunzelnd fügte er bei: «Gott sei Dank besuchen Afrikaner Schulen, sind dank Bildung aufmüpfig und frech geworden und fordern Rechte und Unabhängigkeit.»

Art der Entwicklungshilfe hinterfragen
«Es war sehr nötig und gut, dass auch in der Schweiz, geprägt von einem neuen Geist initiiert durch das Missionsjahr 1960/61 der Missionen und Jugendverbände, aus dem dann unter anderem Fastenopfer und Brot für Brüder hervorgingen, Haltung und Art der Entwicklungshilfe hinterfragt wurden und so ein Umdenken stattfand», ist Hanspeter Bisig überzeugt. Dennoch findet er: «Auch wenn die Schweiz selber nicht Staaten kolonialisierte, haben auch wir davon profitiert und der Kolonialismus hat unsere Kultur stark geprägt. Dies zeigt auch die aktuelle Diskussion um bekannte Süssigkeiten.» Für Walter Ludin sind rassistische Ausdrücke im alltäglichen Gebrauch sehr problematisch und ergänzt: «In diesen Situationen ist es nicht entscheidend, wie wir weissen Menschen

gewisse Speisen oder Restaurants nennen möchten. Die zentrale Frage ist, wie Menschen aus Afrika, auch in der Schweiz, unter bestimmten Begriffen litten und leiden. In diesem Sinne ist der «Mohrenkopf» abwertend und unangebracht.»

Christkind mit schwarzer Hautfarbe
Für Walter Ludin ist es unumgänglich, dass innerhalb der Kirchen in Afrika oder Asien Frauen und Männer gefördert werden und dass afrikanische, östliche Musik und Kulturen  auch im religiösen Leben Bedeutung erhalten und weist darauf hin: «In Afrika muss ein Christkind mit schwarzer Hautfarbe in der Weihnachtskrippe liegen, Afrikanerinnen und Afrikaner tragen Namen ihrer Kulturen und werden nicht als Fridolin oder Johanna getauft.»

Abschliessend versichert Walter Ludin: «Wir Kapuziner sind immer in der zweiten Reihe und dienen dem Chef des jeweiligen Landes, wo nötig mit Unterstützung, Beratung und Begleitung.»

Werner Mathis