Was dürfen wir noch essen?

Wo finde ich etwas zum Essen, da doch vieles – inkl. Wurst! – so ungesund ist. Wenn manches Krebs erzeugt? Oder auch nur dick macht? Es gibt auf diesem Gebiet unzählige «Wegweiser» – und alle paar Monate wieder neue! Unsere Autorin erzählt, wie sie das Problem für sich löst.

 

Kaum ist Weihnachten vorbei, sind die Zeitschriften voll von Diäten, von Vorschlägen, wie man fitter, schlanker wird. Traumfigur, Bikinifigur, attraktiv: Das sind nur einige der Schlagwörter.

Lust oder Frust?

Also vorher (an Weihnachten) Lust und jetzt Frust? Irgendwie scheint mir unser ganzes Essverhalten heutzutage in diese Richtung zu gehen. Das Angebot an Nahrung ist gross. Wir können unter vielem auswählen. Man sehe sich nur mal die Regale mit Joghurt im Supermarkt an.

Auf der anderen Seite nehmen Fettleibigkeit und Folgeschäden von Fehlernährung zu. Auch die Gesundheitsfürsorge hat dies erkannt und im Spital eine extra Abteilung für Adipositas-(Fettleibigkeit)-Patienten geschaffen. Ich gehörte auch zu ihnen.

Richtiger Weg?

Gibt es überhaupt einen richtigen Weg zwischen «Esslust» und dem Frust, das Falsche oder zu viel zu essen? Eine umfassende Aussage dazu würde mehrere Bücher füllen.

Ich musste mich im Rahmen meiner Therapie im Spital eingehend mit meinem Essverhalten, ja mit meiner ganzen Lebenssituation auseinandersetzen. Es blieb mir nicht erspart, nach Gründen für mein negatives Essverhalten zu suchen.

Der Weg war nicht einfach. Oft kam ich an meine Grenzen. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich einmal in der Migros stand und einen Freund anrief. Ich heulte, weil ich einfach nicht mehr wusste, was ich denn nun einkaufen sollte, (oder besser: was nicht).

Der Freund gab mir den guten Rat, dass ich Geduld haben müsste; mit mir selbst und der ganzen neuen Situation. «Du kannst nicht erwarten, dass dein gewohntes Essverhalten von 60 Jahren sich plötzlich über Nacht ändert», meinte er.

Grundregeln

Tatsächlich hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis ich mich einigermassen umgestellt hatte. Und selbst jetzt muss ich mich immer wieder daran erinnern, was ich mir erarbeitet habe und mich sehr diszipliniert verhalten. Was mir nicht immer leicht fällt …

Ein paar Grundregeln, die ich gelernt habe – und die sicher den meisten von uns bereits bekannt sind:

Nach Möglichkeit keine Fertiggerichte kaufen. Sie enthalten meist zu viel Fett, Salz und Zucker. Fett und Zucker sind Geschmacksträger. Sie schmeicheln unserer Zunge. Diese ist dran gewöhnt. Fehlen die genannten Stoffe, reagiert sie mit «schmeckt nicht». Diese Erfahrung musste ich am Anfang selbst machen. Mir schmeckte tatsächlich nach meiner Ernährungsumstellung am Anfang fast nichts. Obwohl ich das Gericht wie gewohnt gewürzt hatte, fand ich es fad und geschmacklos.

Meine Therapeutin bestätigte mir, dass meine Zunge Zeit bräuchte, sich umzustellen. Nach etwa zwei Monaten trat eine deutliche Besserung ein. Das Essen begann mir wieder zu schmecken.

Fett und Zucker?

Fett sparsam verwenden: Ich war es gewohnt, das Öl direkt aus der Flasche in die Pfanne oder den Topf zu giessen. Über die Menge machte ich mir keine Gedanken. Jetzt messe ich das Öl mit dem Teelöffel ab. Ich verwende zum Braten nach Möglichkeit eine Grillpfanne. Zudem verwende ich nur hochwertiges Öl zum Braten.

Das leidige Thema Zucker. Wer isst nicht gerne ein Stück Schokolade? Oder ein Dessert nach einem guten Essen? Warum auch nicht. Was aber viele nicht wissen, auch in vielen anderen Lebensmitteln, die wir zu uns nehmen, sind Zucker und Zucker in veränderter Form (z.B. Glucose) enthalten. Es empfiehlt sich also immer, die Inhaltsangaben zu lesen. Dabei steht die am meisten enthaltene Zutat an erster Stelle.

Unser Gaumen liebt Zucker. Wie schon erwähnt, Zucker ist ein wichtiger Geschmacksträger. Das nutzt natürlich auch die Lebensmittelindustrie. Wenn wir Zucker zu uns nehmen, setzt eine Art Befriedigung ein. Wir fühlen uns wohler. Und weil diese Befriedigung so schön ist, wollen wir es wieder und wieder erleben.

Nicht hungern

Abwechslung: Ich esse viel frisches Gemüse, Obst, Salat. Und ich sorge für Abwechslung in meinem Speiseplan. Statt weisses Brot esse ich vorwiegend Vollkornbrot. Es darf zwischendurch aber auch mal ein weisses sein. Allerdings spüre ich beim Vollkornbrot ganz deutlich, wenn ich satt bin. Das merke ich beim Weissen nicht so.

Regelmässig essen: Nicht hungern! Wer hungert, denkt nur ans Essen und isst bei der nächsten Mahlzeit mehr. Es überfordert den Magen. Aber was tun, wenn einem der Gedanke nach Essen nicht aus dem Kopf geht? Nun, etwas essen; wenn`s geht, keine Snacks, doch vielleicht eine Frucht, einen Salat. Ich helfe mir da meistens mit einer fettfreien Boullion.

Sich informieren: Es gibt Lebensmittel, die uns gut tun. Darüber kann man sich informieren. Es gibt auf dem Markt genügend Bücher darüber. Wir finden Studien über die Frage, welche Lebensmittel bei bestimmten Krankheiten eine positive Wirkung zeigen. Aber auch bei Gesunden kann man mit den richtigen Nahrungsmitteln eine Verbesserung der Lebensqualität erreichen.

Vorsichtig sein muss man bei Artikeln in Zeitschriften, die immer mal wieder dieses oder jenes als Allheilmittel anpreisen. Die empfohlenen Diäten geraten immer wieder in den Fokus. Sie haben fast alle den Nachteil, dass man zwar abnimmt, das Gewicht aber nicht halten kann, weil man nachher weiterlebt wie vorher.

Ohne Ärger

Die Angaben auf der Packung lesen: Woher kommt das Produkt? Wie wurde es hergestellt? Ist es saisongerecht oder nicht? Welche Zusatzstoffe sind enthalten? Die Nahrungsmittel sollten generell so natürlich wie möglich sein.

Sich Zeit nehmen zum Essen: Bewusster essen, wenn irgend möglich in Gesellschaft. Und nicht mit Ärger im Bauch essen – dann lieber auf das Essen verzichten. Denn der Magen verkrampft sich bei Ärger und arbeitet nicht richtig.

Sich bewegen, bewegen, bewegen, bewegen, bewegen: Jeder Schritt zählt. Unseren Körper zu bewegen, heisst auch unseren Geist zu bewegen. Wir nehmen uns besser wahr und werden in jeder Hinsicht beweglicher.

Keine Models

Die Waage nicht zu einem Sklaventreiber werden lassen: Davon Abstand nehmen, eine Traumfigur zu erreichen. Denn das geht schief. Bleiben wir lieber realistisch: Die meisten von uns sind keine Models. Und das ist auch gut so. Sehe ich mir die Modeschauen im Fernsehen an, fällt mir auf, dass die Models austauschbar sind. Sie dienen als Kleiderständer.

Wenn ich wie sie aussähe, könnte ich alles tragen. Aber erstens, habe ich nicht «alles». Zweitens habe ich im Laufe meines Lebens meinen eigenen Stil entwickelt. Er gehört zu mir. So will ich sein. Ich liebe mich etwas eckig und kantig.

Übergewicht

Aber zurück zum Essen. Übergewicht ist nicht nur ein ästhetisches Problem. Es hat leider auch einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit. Die Folgen sind bekannt: Neigung zu Bluthochdruck, Diabetes, Gelenkprobleme usw. Wir schaden uns also definitiv selbst, verursachen Kosten und schmälern letztlich unsere Lebensqualität.

Nun aber ist es ja nicht einfach, sein Verhalten zu ändern. Für mich war es viel einfacher, ohne bewusstes Nachzudenken einzukaufen und zu essen. Es ging schneller.

Jetzt brauche ich mehr Zeit zum Einkaufen und zum Kochen Ich bewege mich mehr und bewusster und muss dies in meinen Tagesablauf einbauen. Ich bin nicht extrem und mache immer noch Fehler. Das gehört dazu. Ich mache mir deswegen keinen Kopf. Ich müsste mir erst Sorgen machen, wenn ich wieder ganz meinen alten Gewohnheiten verfiele. Wenn ich wirklich mal Lust auf eine Sahnesauce habe, die ich früher so gerne gegessen habe, dann esse ich sie auch mal. Das tut meiner Seele gut.

Mich wahrnehmen

Was tue ich mit mir selbst? Was tue ich mir an? Wie funktioniere ich, womit und warum? Ich bin noch mittendrin, darauf eine Antwort zu finden … Eins habe ich aber inzwischen gelernt: mir besser zuzuhören, mich mehr wahrzunehmen, mich besser zu begreifen; auch zu wissen, warum ich etwas tue oder getan habe. Und warum ich, als ich übergewichtig war, mich dabei ganz wohl gefühlt habe.

Ich denke, dass wir insgesamt noch viel zu wenig über die Zusammenhänge zwischen unserer Ernährung, unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden wissen.

Ohne Sinn und Verstand?

Wenn ich mich so umschaue, wie manches von dem, was wir essen und konsumieren, produziert wird, erschrecke ich. Wahrscheinlich werden die späteren Generationen über unsere Essgewohnheiten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Waren die denn damals ohne Sinn und Verstand? Ich denke auch an all die Menschen, die nicht so viel zu essen haben wie wir. Dabei könnten wir sie ernähren. Das weiss man mittlerweile. Und hier wandern nicht gewünschte Lebensmittel tonnenweise in den Abfall.

Lust und Frust

Essen: Lust oder Frust? Wohl beides. Vielleicht wäre ein bisschen mehr Lust am Essen der bessere Weg. Das hiesse nämlich, dass wir das Essen mehr schätzen und es nicht als so selbstverständlich anschauen. Was wir schätzen, beachten wir auch mehr.

Ich setze mich heute bewusster an den Tisch, nicht nur, weil ich nicht zunehmen will; sondern weil ich im Laufe der letzten Jahre eine Menge über unsere Nahrung und die direkten Zusammenhänge mit meinem eigenen Leben gelernt habe.

Anke Maggauer-Kirsche

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Michael Furger; Chanchal Biswas (Herausgeber): Der Kult um unser Essen. Wo es herkommt. Warum es schmeckt. Wie es uns verführt. Verlag NZZ. 2015. ISBN/EAN978-3-03810-090-4. 207 S., ca. CHF 48.–

WLu. Das vorliegende Buch, eine erweiterte Fassung von Artikeln, die in der «NZZ am Sonntag» erschienen sind, gibt höchst kompetent und äusserst lesbar Impulse für verantwortungsvolles Einkaufen und Essen. Es deckt auch die Praktiken der grossen Konzerne und die Verführungs-Mechanismen der Werbung auf. Ebenso vermitteln die zahlreichen Bilder und Illustrationen wertvolle Infos.


Literatur: Miriam Polunin: Die 50 besten Lebensmittel für Ihre Gesundheit. Heilkraft, Anwendung, Küchentipps. garant-Verlag 2015 (preislich sehr günstig: ca. CHF 7.90)