Wie gehen wir mit Fremden um?

«Zwischen Missgunst und Mitgefühl»: So ist ein Artikel der deutschen Franiskaner überschrieben. Er gibt Tipps für einen menschlichen Umgang mit Fremden.

Mitgefühl mit Asylsuchenden

Wer Asylsuchenden und andern Benachteiligten menschlich begegnen will, braucht Mitgefühl für sie: die Fähigkeit, sich in ihre Situation hinzuversetzen. Dazu ein meditativer Beitrag aus der Zeitschrift der deutschen Franziskaner mit dem Titel «Zwischen Missgunst und Mitgefühl».

«Die Ausländer kriegen alles, ich kriege nichts», sagt eine Rentnerin mit knapp 500 Euro im Monat. – «Wenn ich helfen möchte, erlebe ich heute oft Zurückweisung», erzählt mir ein langjähriges Gemeindemitglied. – «Wir können die flüchtenden Menschen doch nicht einfach ertrinken lassen», schreibt ein engagierter junger Christ.

Gefühle

Solidarität und Missgunst sind starke und weit verbreitete Gefühle in unserer Gesellschaft. Zwischen »Wir können doch nicht allen auf diesem Planeten helfen« und »Als Christen sind wir zur Hilfe verpflichtet« fühlen sich viele hin­ und hergerissen. Hinter solchen sehr unterschiedlichen Einstellungen stecken meist tiefe – offene und verborgene – Gefühle.

An Jesus fällt mir die Stärke seines Mitgefühls auf. Ja, er konnte auch nicht allen helfen. Niemand kann das, auch heute nicht. Aber welche Haltung steckt hinter meinem Verhalten als Christ? Und was bewegt mich in meiner tiefsten Seele? Wut? Ärger? Begeisterung? Mitgefühl? Jesu Mitgefühl mit den Armen und Ausgegrenzten galt immer und ohne Vorbedingung. Da gab es kein «Ja, aber».

Mitgefühl und Solidarität bedeuten weder ein Sich­ausnutzen­lassen noch ein Alle­Welt­retten­wollen. Ich möchte mich solidarisch zeigen mit denen, die in Not sind. Gleichzeitig möchte ich auch gerecht behandelt werden, ich möchte Hilfe bekommen, wenn ich sie nötig habe. Diese Gerechtigkeit erwarte ich vor allem von der Politik. Und zugleich weiß ich, dass meine Stimme mitentscheidet über die solidarische Kraft dieser Gesellschaft. Braucht sie nicht vor allem die Basis der Menschenrechte und der «christlichen» Werte?

Still werden

die angst

dass du mir alles wegnimmst

ist ein spuk

 

auch ich

habe alles empfangen

alles

 

schon bald

bin ich es, die bittet

 

lehre du mich dann

barmherzigkeit

 

Meditieren

«Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie auf dem Weg zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weit her gekommen.» (Markus 8, 3) Mitgefühl war für Jesus etwas anderes als mitleidiges Bedauern. Die Menschen der Antike wussten, dass Mitgefühl und Barm­ herzigkeit körperlich empfunden werden. In der Mitte des Leibes – da, wo auch das Kind im Mutterleib wächst. Engagement und Solidarität sind mehr als rationales Tun, sie wachsen aus der Mitte unserer Gefühlswelt.

Schritte tun

Es ist hilfreich, meine Kritik und Vorurteile bestimmten Menschen oder auch bestimmten Menschengruppen gegenüber abzuklopfen und zu fragen, ob dahinter nicht auch Gefühle von Neid und Missgunst stecken.

Es tut gut, wenn ich mich in die Lage anderer Menschen hineinfühle. Das verändert meine Sicht. Wie ginge es mir, wenn ich mich aus meinem zerbombten Dorf in ein fremdes Land retten könnte und die Familie zurücklassen müsste?

Das Wort Solidarität kommt von dem lateinischen «solidus», das bedeutet «echt, gefestigt, stark verbunden». Solidarität braucht starke, gesunde Gefühle, feste Überzeugungen, die sich nicht von Meinungsschwankungen um­ werfen lassen.

Die Bibel erzählt, wie Missgunst zum ersten Mord führt: Kain bringt seinen Bruder Abel um, weil er nicht aushalten kann, dass dessen Opfer von Gott angenommen wird. Im Angesicht Gottes können aber Neid und Missgunst auch heilen und sich in Mitgefühl wandeln.

Kann ich annehmen und fest glauben, dass Gott mir die Fülle des Lebens gönnt – ohne jegliche Missgunst? Kann ich aus ganzem Herzen mein Glück annehmen? Dafür danken?

Helmut Schlegel OFM, Ricarda Moufang; in «Franziskaner», München.