Wie wohltuend ist/war der Kapitalismus für Arbeiter in Katar / südafrikanische Opfer der Apartheid?

Kapitalismus und der Papst

Es ist nicht erstaunlich, dass das Schreiben von Papst Franziskus «Evangelii Gaudium» eine kontroverse Aufnahme findet.  Aus der Sicht des Wirtschaftswissenschafters darf man wohl auch einige Fragezeichen setzen. Ich verstehe aber den Papst angesichts der weltweit verbreiteten sozialen Ungerechtigkeit primär als einen prophetischen Rufer und Mahner. Wenn er nun von Realpolitikern und Fachleuten korrigiert wird, erinnert mich dies an das Schicksal des Propheten Jeremia: Der König hat ihn zwar angehört, ist danach aber den politischen und ökonomischen Fachleuten und Beratern seines Hofes gefolgt. Der Verlauf der Geschichte bestätigte allerdings die Analyse des Propheten und erwies diejenige der sogenannten Spezialisten als falsch mit katastrophalen Folgen für den König, das Volk und die Stadt Jerusalem.

So möchte ich René Scheu (NZZaS vom 15. 12. 13: «Nur Gott kann den Papst retten»), dessen Artikel übrigens am Tag der Beerdigung von Nelson Mandela erschien, fragen: Haben die Slumbewohner von Soweto (Johannesburg) zur Zeit des Apartheidregimes das Engagement der Schweizer Banken und Unternehmen als einen humanen und sozial aufbauenden Kapitalismus erfahren? Warum hält es der Bundesrat nach so vielen Jahren noch für zu gefährlich, das Dossier Südafrika publik zu machen, wenn alles so geordnet zu und her ging?

Wenn Peter A. Fischer (NZZ 31. 12. 13, «Kapitalismus für alle») den Kapitalismus preist als das beste Armutsbekämpfungsprogramm, müsste man doch wohl etwas näher auf die Rahmenbedingungen achten. Vielleicht täte es gut, einmal ein Jahr lang in das Gewand eines Nepalesen auf den WM-Bauplätzen in Katar zu schlüpfen und dann nach zwölf Monaten ein Urteil darüber abzugeben, wie human der Kapitalismus erfahren wird. Meines Erachtens vergessen viele Kommentatoren, dass die Beispiele «Schweiz», «Deutschland» und ähnliche weltweit gesehen leider die Ausnahme und nicht die Regel sind. Und selbst diese Ausnahmen sind zum Grossteil nur unter dem Druck der Gewerkschaftsbewegung und demokratisch durchgesetzter Korrekturen zu einer «sozialen Marktwirtschaft» geworden. Dass sich diese momentan eher rückwärts als vorwärts bewegt, scheint den Kommentatoren ebenfalls zu entgehen. Insofern täte es allen gut, einmal in die «Schuhe des Fischers» zu schlüpfen und die Welt von der anderen Seite anzuschauen. Vielleicht haben die Kardinäle im März ja gerade deswegen den Mann aus Argentinien an den Tiber geholt.

Bischof Paul Hinder, Abu Dhabi apostolischer Vikar