Öko-Vater, ich habe gesündigt

Dienstag, 21. März 2017

Kolumne von Lucien Scherrer NZZ

Um die drohende Apokalypse abzuwenden, predigen grüne Politiker und Wissenschafter den «lustvollen» Verzicht. Ihre neuste Idee: ein Beichtstuhl für Öko-Sünder.

Ressourcen sparen

Haben Sie heute Morgen etwas lange geduscht? Gestern Abend zu viel Schokolade gegessen? Oder gar – Achtung, Kinder, bitte weghören – das Auto benutzt? Dann wird es aber höchste Zeit für einen Besuch auf dem Öko-Beichtstuhl. Geschaffen worden ist diese praktische Einrichtung von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), mitfinanziert wird sie von der Stiftung Mercator, die stets zur Stelle ist, wenn es darum geht, das unvollkommene Menschengeschlecht durch allerlei Sensibilisierungsübungen auf den richtigen Weg zu bringen.

Eine Runde Zug fahren, und das Steak ist vergeben

Gebeichtet werden kann sowohl ambulant (www.oekobeichtstuhl.ch) als auch stationär; ein begehbarer Beichtstuhl steht derzeit auf dem Areal des Kulturparks (genau: das ist die Zürcher Siedlung, deren Bewohner schon vor dem Einzug peinlich befragt wurden, wie sie’s mit dem Gebot der Nachhaltigkeit halten).

Den Besucher des virtuellen Beichtstuhls erwartet ein froschähnliches Wesen, das mit öliger Stimme zum Beichten animiert. «Hast du gesehen, der Umwelt hat das nicht so gut getan, hmm . . .?» sagt es, nachdem man den Verzehr eines fetten Steaks gestanden hat. Als Wiedergutmachung verordnet es unter anderem, eine Runde Zug zu fahren, denn das ist offenbar gut für die Umwelt.

«Lustvoll »und «augenzwinkernd»

Wie immer, wenn es um Belehrungen geht, versichern die Belehrenden auch hier mit auffälligem Eifer, wie «lustvoll» und «augenzwinkernd» das alles gemeint sei. Tatsächlich passt der Öko-Beichtstuhl hervorragend in die Kirche der heiligen grünen Erweckungsbewegung. Lehrt uns diese doch, dass die bald zu erwartende Apokalypse verhindert werden kann, wenn wir nur alle ein wenig «lustvollen» Verzicht üben, also weniger Fleisch essen, mehr Velo fahren und beim Einseifen die Dusche abstellen. Oder wenn wir in der Welt herumfliegen und uns mit einem kleinen Ablasshandel via Myclimate freikaufen.

Angesichts dieser an den Vatikan gemahnenden Kreativität in Sachen Sündenmanagement sind wir gespannt, was als Nächstes kommt: Wann ziehen die ersten Flagellanten durch die Stadt, die sich unter der lustvollen Anleitung von Nachhaltigkeitsfachleuten den sündigen Rücken blutig geisseln? Und wer wird der Erste sein, der sich auf einem Hügel zwecks Tilgung aller Öko-Sünden an ein Windrad schlagen lässt – augenzwinkernd, versteht sich?