Ein Bruder in Frankfurt

Br. Kletus Hutter von der Rapperswiler Kapuzinergemeinschaft ist für drei Wochen ins Kloster in Frankfurt gegangen. Im Folgenden erzählt er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen.
Es geht los in Frankfurt

Zugegeben, etwas seltsam war es mir schon zumute, als ich vor der Pforte des Kapuzinerklosters bei der Liebfrauenkirche in Frankfurt stand. So voll bepackt mit grosser Tasche, Rucksack, Laptop und meinem Schwyzerörgeli. Bin ich doch für ein Kurzpraktikum hier angetreten und nicht um in die grosse Stadt auszuwandern. Aber alleine mit viel Gepäck war ich nicht auf dem Platz. Ein Mann mit Bart, warmen schmutzigen Kleidern und seinen Habseligkeiten in Taschen wartete bei den hunderten von Kerzen, die vor der Kirche brannten. Um solche Begegnungen wird es mir in den nächsten drei Wochen gehen. Um die Begegnung mit Menschen, die ihren eigenen Lebensstil pflegen, der für manche von uns unverständlich ist.

Ich bin gespannt, was mich im Franziskustreff erwarten wird. Bruder Wendelin hat den Franziskustreff 1992 in Frankfurt ins Leben gerufen. Es ist ein Ort im Kapuzinerkloster, an dem Gäste für 50 Cents ein reichhaltiges Frühstück erhalten. Von 07.45 Uhr bis 11.15 Uhr ist das ansprechende Lokal Montag bis Samstag für seine Gäste offen. Bewusst wird das Wort Gäste und nicht Klienten benutzt, wie mir der Leiter, Gregor und seine Frau Regina erklären. „Diese Menschen hier werden mit Handschlag begrüsst und bewirtet. Sie bezahlen für ihr Essen und werden respektvoll behandelt. Es herrschen hier auch Regeln, die braucht es.“ Es ist faszinierend, wieviele Freiwillige sich hier engagieren. Hier spielt sich Kirche ab, das spüre ich sofort. Auch wenn das Wort „Gott“ oder „Glauben“ nicht fällt, viele Gäste und auch Engagierte spüren, dass da noch EINER mit dabei ist.

Aha, ein Schwiiiiizer

Mein erster Arbeitstag im Franziskustreff. Und schon diese Aufgabe: Vor die Türe stehen und die Gäste mit Handschlag begrüssen. „Platziere dich gut,“ meint Gregor, “die Gäste wollen schnell rein in die Wärme kommen.“ Ein bisschen nervös bin ich schon, als ich die Türe öffne. Die Hand den ersten Gästen entgegenstreckend und mit dem reinsten Hochdeutsch, das mir die Lehrerinnen und Lehrer in meiner Schulzeit beibringen wollten, hole ich aus zu einem freundlichen „guten Morgen“. Worauf der erste Gast schon zu mir sagt: „Aha, ein Schwiiiiizer.“ Beim Kaffee servieren spricht mich später ein weiterer Gast an in einem Schweizerdeutsch, das wohl ähnlich klingt, wie wenn ich mein Schriftdeutsch als Hochdeutsch verkaufen möchte. Er war auch schon in der Schweiz, im Tessin, aber mehrheitlich auf der italienischen Seite. Dort sei es billiger. Max Frisch findet er gar nicht so intellektuell, wie alle sagen. Ich muss ihm zu meiner Schande gestehen, dass ich eigentlich nur Frisch’s Werk „Andorra“ kenne und dieses Buch sehr schätze. Ein interessantes Gespräch entsteht. Kurz vor der Schliessung des Treffs stellt dann ein Herr mit akzentfreiem Schweizerdeutsch fest, dass ich wohl auch aus der Schweiz komme. „Jo, vo Rapperswil“, gebe ich zur Antwort. „I bi vo Züri“ kommt es lachend zurück. Wie klein ist doch die Welt.