Wir Christen heute im Gefolge der christlichen Urgemeinde

  1. Sonntag in der Osterzeit (Osteroktav) Erste Lesung: Apg 2,42-47

Viele kamen nach der Pfingstpredigt des Petrus zum Glauben und liessen sich taufen. Mit ihnen bildete sich die Urgemeinde in Jerusalem. Alle gehörten schon vom Judentum her zusammen. Neu aber ist das vierfache Fundament, auf dem die christliche Gemeinde aufgebaut wird. In der Lesung steht:

Sie hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“
  1. Die Lehre der Apostel: Das ist Frohe Botschaft. Hauptinhalt ist die Auferstehung Christi. Daraus schöpft die junge Gemeinde ihre Identität.
  2. Die Gemeinschaft: Ihr Kennzeichen ist die soziale Verantwortung füreinander. „Sie hatten alles gemeinsam.“ Das heisst nicht, dass es kein Privateigentum gibt. Aber mit jedem Besitz ist der Sinn für das Gemeinwohl verbunden.
  3. Im Brotbrechen ist Christus in einzigartiger Weise seiner Gemeinde gegenwärtig. „Als er das Brot brach, erkannten sie ihn.“ Die christliche Gemeinde benötigt regelmässig die Eucharistie, damit sie ihr Wesen nicht verliert
  4. Die Gebete: Die Urgemeinde kennt die jüdischen Gebetszeiten. Das Neue am Gebet der Christen ist die Beziehung zu Christus.

Bis heute lebt die Gemeinde Christi, die Kirche, von diesen tragenden Grundelementen. Wir nennen sie heute: Verkündigung, Caritas, Eucharistie und Stundengebet der Kirche.

Lukas überliefert ein idealisiertes Bild von der ersten christlichen Gemeinde. Er unterstreicht es noch durch die Bemerkung, dass sie „beim ganzen Volk beliebt waren“. Bestimmt herrschte in der ersten Zeit eine grosse Begeisterung. Aber Lukas und andere Zeugen belegen auch, dass die hohen Ideale nicht durchgehalten werden konnten. Es gab Streit. Soziale Unterschiede führten zu Ungerechtigkeiten.

Die heutige Kirche erfährt, dass überspannte Ideale zum Gegenteil führen. Die Aufdeckung der Missbrauchsskandale zeigt, dass die Kirche an ihrer Haltung vieles ändern muss.  Sie muss sich vor allem um ihre Wahrhaftigkeit kümmern. Es ist fatal, wenn eine moralische Autorität, die die Wahrheit verkünden will, selber nicht transparent erscheint. Auf einmal werden unaufrichtige und verlogene Seiten sichtbar. Man kann nicht verstehen, warum unter der Decke von frommen Idealen ein so grosses Ausmass von Bösem geschehen kann. Die Kirche muss von vorne beginnen. Sie muss ihre Grundlagen in Erinnerung rufen, vor allem die zweite von der sozialen Verantwortung intern und extern. Sie muss beweisen, dass sie sich an ihre Grundlagen hält. Die Urchristen hielten fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.“


Raphael Grolimund

Raphael Grolimund, Kapuziner, Kloster Wesemlin, Luzern. Tätig als katholischer Priester in der Seelsorge und in der geistlichen Begleitung von Schwesterngemeinschaften und Exerzitiengruppen.