Mission in einer multireligiösen Welt

Das ökumenische Dokument erschien schon 2011, wurde aber kaum zur Kenntnis genommen.

Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt

28. Juni 2011

Empfehlungen für einen Verhaltenskodex

Präambel

Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. Darum ist es für jeden Christen und jede Christin unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen/ihren Glauben in der Welt zu bezeugen. Es ist jedoch wichtig, dass dies im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen.

Im Bewusstsein der Spannungen zwischen Einzelnen und Gruppen mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen und der vielfältigen Interpretationen des christlichen Zeugnisses sind der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog, der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und, auf Einladung des ÖRK, die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) über einen Zeitraum von fünf Jahren zusammengekommen, um gemeinsam nachzudenken und das vorliegende Dokument zu erarbeiten. Dieses Dokument soll keine theologische Erklärung zur Mission darstellen, sondern verfolgt die Absicht, sich mit praktischen Fragen auseinanderzusetzen, die sich für das christliche Zeugnis in einer multireligiösenWelt ergeben.

Ziel dieses Dokuments ist es, Kirchen, Kirchenräte und Missionsgesellschaften dazu zu ermutigen, ihre gegenwärtige Praxis zu reflektieren und die Empfehlungen in diesem Dokument zu nutzen, um dort, wo es angemessen ist, eigene Richtlinien für Zeugnis und Mission unter Menschen zu erarbeiten, die einer anderen Religion oder keiner bestimmten Religion angehören. Wir hoffen, dass Christen und Christinnen in aller Welt dieses Dokument vor dem Hintergrund ihrer eigenen Praxis studieren, ihren Glauben an Christus in Wort und Tat zu bezeugen.

Grundlagen für das christliche Zeugnis

  1. Für Christen/innen ist es ein Vorrecht und eine Freude, Rechenschaft über die Hoffnung abzulegen, die in ihnen ist, und dies mit Sanftmut und Respekt zu tun (vgl. 1. Petrus 3,15).
  1. Jesus Christus ist der Zeuge schlechthin (vgl. Johannes 18,37). Christliches Zeugnis bedeutet immer, Anteil an seinem Zeugnis zu haben, das sich in der Verkündigung des Reiches Gottes, im Dienst am Nächsten und in völliger Selbsthingabe äußert, selbst wenn diese zum Kreuz führen. So wie der Vater den Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes gesandt hat, so sind Gläubige mit der Sendung beauftragt, in Wort und Tat die Liebe des dreieinigen Gottes zu bezeugen.
  1. Das Vorbild und die Lehre Jesu und der frühen Kirche müssen das Leitbild für christliche Mission sein. Seit zwei Jahrtausenden streben Christen/innen danach, dem Weg Christi zu folgen, indem sie die Gute Nachricht vom Reich Gottes weitergeben (vgl. Lukas 4,16-20).
  1. Christliches Zeugnis in einer pluralistischen Welt umfasst auch den Dialog mit Menschen, die anderen Religionen und Kulturen angehören (vgl. Apostelgeschichte 17,22-28).
  1. In einigen Kontexten stößt das Anliegen, das Evangelium zu leben und zu verkündigen, auf Schwierigkeiten, Behinderungen oder sogar Verbote. Und doch sind Christen/innen von Christus beauftragt, weiterhin in Treue und gegenseitiger Solidarität von ihm Zeugnis abzulegen (vgl. Matthäus 28,19.20; Markus 16,14-18; Lukas 24,44-48; Johannes 20,21; Apostelgeschichte 1,8).
  1. Wenn Christen/innen bei der Ausübung ihrer Mission zu unangemessenen Methoden wie Täuschung und Zwangsmitteln greifen, verraten sie das Evangelium und können anderen Leid zufügen. Über solche Verirrungen muss Buße getan werden und sie erinnern uns daran, dass wir fortlaufend auf Gottes Gnade angewiesen sind (vgl. Römer 3,23).
  1. Christen/innen bekräftigen, dass es zwar ihre Verantwortung ist, von Christus Zeugnis abzulegen, dass die Bekehrung dabei jedoch letztendlich das Werk des Heiligen Geistes ist (vgl. Johannes 16,7-9; Apostelgeschichte 10,44-47). Sie wissen, dass der Geist weht, wo er will, auf eine Art und Weise, über die kein Mensch verfügen kann (vgl. Johannes 3,8).

Fortsetzung folgt