Ostern feiern in Todeszeit?

Das ist die Frage! Ostern bedeutet Leben. Können wir das Leben feiern in einer Zeit, da in der Ukraine alles zerbombt und zerschossen wird, da das Leben unzähliger Menschen grausamst bedroht und vernichtet wird. Wer kann die Bilder des Schreckens aushalten? Man möchte wegsehen und weggehen. Nur weg!

„Zwei von den Jüngern“ (Lk 24,13) hatten Jerusalem unter Schreck verlassen. Was dort geschehen war, war unerträglich. Alles, worauf die beiden ihre Hoffnung gesetzt hatten, war zerstört. Sie gehörten zum engsten Kreis Jesu und waren daran, mit ihm zusammen und mit vielen Gleichgesinnten eine neue Welt aufzubauen, eine Welt des Friedens und der Liebe, der Respekts vor der Würde jedes Menschen.

Das passte gewissen Leuten ganz und gar nicht. Sie sahen ihre Macht in der Gesellschaft in Frage gestellt. „Wehret den Anfängen!“ haben sie sich gesagt. Diese neue Bewegung musste von der Wurzel her ausgerottet werden. Jesus wurde getötet. Damit war seine Anhängerschaft am Boden vernichtet. Der grausame Todesschrecken zwang zur Flucht.

Das war der erste Schock. Jesus und alles, was er geschaffen hatte, lag begraben. Aber unter der Erde waren verborgene Kräfte am Werk. Die Frühlingsnatur ist dafür ein Gleichnis. In Jesus Christus und in seiner Gemeinde erwachte eine unbesiegbare Lebenskraft. Daraus kommt seit damals bis heute das Leben des christlichen Glaubens, der Osterglaube.

Dröhnende Bomben und grässliche Zerstörungen begraben in unserer Zeit alle Hoffnungen. Aber gegen diese Gewalt des Todes stehen  in der Ukraine starke Kräfte des Lebens. Diese müssen weithin in der Welt erwachen und auferstehen zum Sieg des Lebens.

Ostern feiern in Todeszeit? Ja! Gerade in Todeszeit muss die Kraft zum Leben erwachen. Das christliche Bekenntnis zum Auferstandenen gibt uns diese Kraft.


Raphael Grolimund

Raphael Grolimund, Kapuziner, Kloster Wesemlin, Luzern. Tätig als katholischer Priester in der Seelsorge und in der geistlichen Begleitung von Schwesterngemeinschaften und Exerzitiengruppen.