Priester-Weihe Br. Pascal

Homilie von Bischof Br. Paul Hinder; Jes 42,1-4.6-7; Apg 6,1-7; Joh 6,16-21; Schüpfheim, 13. April 2024:

In seinem jüngsten Buch «Baustellen der Hoffnung» von Martin Werlen steht ein kleines Kapitel mit dem Titel «Heilige – vom Sockel geholt». Wir können diesen Titel ohne Bedenken auch auf uns anwenden «Priester – vom Sockel geholt». Kein Geringerer, als Papst Franziskus betont immer wieder, dass die Priester nicht abgehoben sein sollen. So auch in einer Ansprache am vergangenen 8. Februar: Diese Zugehörigkeit zum Volk – sich niemals vom Weg des heiligen, gläubigen Volkes Gottes getrennt zu fühlen – schützt uns, stützt uns in den Mühen, begleitet uns in den pastoralen Nöten und bewahrt uns vor der Gefahr, uns von der Wirklichkeit abzukoppeln und uns allmächtig zu wähnen. Seien wir vorsichtig, denn dies ist auch die Wurzel einer jeden Form von Missbrauch.

Selbstverständlich sollen und dürfen wir uns heute über die Priesterweihe von Br. Pascal Mettler freuen. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass es gegenwärtig vielen Menschen schwer ums Herz wird, wenn die Rede auf das Priesteramt in der Katholischen Kirche kommt. Ich denke dabei nicht nur an die Missbrauchskandale und ihre verheerenden Auswirkungen. Es gibt auch die grundsätzliche Infragestellung des Priesteramts als von Jesus Christus gewollter Sendung. Ein emeritierter Professor für die Auslegung der Heiligen Schrift stellte 2023 in einem Artikel die Frage “Braucht die katholische Kirche Priester”, und antwortete mit einem “nein”. Es ist daher verständlich, dass viele Gläubige (die Priester mitinbegriffen) verunsichert sind und oft die Freude in und an der Kirche verloren haben.

Ich möchte heute anlässlich Deiner Weihe, lieber Br. Pascal, nicht ein Klagelied anstimmen und die Freude trüben, die wir allen Widrigkeiten zum Trotz in unserem Herzen spüren und auch festlich zum Ausdruck bringen dürfen. Wir sollen und müssen uns aber gleichzeitig mutig und ehrlich einer Situation stellen, in der wir Priester auf alles andere als eine heile Welt und Kirche treffen. Wir tun das im Vertrauen auf Gottes Wort, das wir heute gehört haben. Da ist zunächst der Knecht Gottes bei Jesaia, an dessen Profil ein Priester immer wieder Mass nehmen soll. Der prophetische Text bringt zum Ausdruck, wo unser Standort ist und welche Sendung wir haben. So heisst es: “Er schreit nicht und lärmt nicht / und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen. 3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht / und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; / ja, er bringt wirklich das Recht. 4 Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, / bis er auf der Erde das Recht begründet hat.” (Is 42,2-4) Der Prophet lässt auch keinen Zweifel darüber zu, wer beruft und wofür: “6 Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, / ich fasse dich an der Hand. Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, / zum Licht der Nationen, 7 um blinde Augen zu öffnen, / Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, / aus der Haft.” (Jes 42,6-7) Lieber Pascal, wenn du dich als Priester immer wieder am Gottesknecht in Jesaiah 42 orientierst, wirst du ein demütiger Diener unter und im Volk Gottes sein.

Aus dem Johannesevangelium haben wir den Abschnitt gehört, der unmittelbar an die wunderbare Speisung der Menge durch Jesus anschliesst. Weil die Leute ihn zum König machen und so auf den Sockel heben wollten, verbarg er sich auf dem Berg, während sich die Jünger im Boot auf den Weg nach Kafarnaum machten. Es war bereits Nacht. Unterwegs gerieten sie in einen “heftigen Sturm”. Schon die frühe Christengemeinde verstand diese Episode als ein Spiegelbild ihrer eigenen existentiellen Gefährdung. Denn unterdessen kannte die junge Kirche bereits Verfolgungen von aussen und gewaltige Spannungen im Innern. In diesem kritischen Moment erschien ihnen Jesus als furchterregendes Gespenst, offenbarte sich aber den Seinen mit den Worten “Ich bin es; fürchtet euch nicht!” (Joh 6,20).

Was darauf folgte, war ein anderer Sturm. Denn nach der Ankunft in Kafarnaum hielt Jesus im Johannesevangelium die grosse Brotrede, die mit einem Eclat enden sollte. Viele seiner Jünger wandten sich von ihm ab, weil ihnen die Rede von seinem “Fleisch essen” und seinem “Blut trinken” zuviel wurde. Im Evangelium steht, “Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher” (Joh 6,66). Jesus stellte die noch Verbleibenden vor die Frage: “Wollt auch ihr gehen?” Simon Petrus rettet im Namen der dezimierten Jüngerschar die Situation mit dem Bekenntnis, “Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.” (Joh 6,68-69) Und damit stehen wir mitten im Geheimnis, das wir heute in dieser Kirche feiern. Denn bei einer Priesterweihe geht es wesentlich um das “Kommen zum Glauben”, um die “Worte des ewigen Lebens”, um “das Brot des Lebens”, um das “Fleisch und das Blut” Christi, um “den Heiligen Gottes”, der in der Mitte unseres christlichen Bekenntnisses steht und heute wie damals uns zuruft “Ich bin es; fürchtet euch nicht”.

Jesus stiess mit seiner eucharistischen Brotrede bis in den innersten Kreis seiner Jüngerschar auf heftigen Gegenwind. Es ist daher nicht überraschend, wenn auch wir Priester etwas davon mitbekommen. Schliesslich hat es unser Dienst tagtäglich mit der skandalösen Herausforderung zu tun, mit der Jesus die Seinen im Johannesevangelium konfrontiert. Er mutet seinen Jüngern viel, ja zuviel zu. Er spricht ihnen aber im selben Evangelium den Mut zu, den sie für ihre Sendung brauchen: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!” (Joh 14,1) “Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.” (Joh 14,27). Und weiter: “In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.” (Joh 16,33) Als der auferstandene Herr bricht Jesus dann die Enge der verängstigten Jüngerschar auf, wenn er ungefragt und unverhofft in ihre Mitte tritt und sie für ihre Sendung ausrüstet “Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.” (Joh 21,6)

Lieber Br. Pascal, heute wirst auch du gesandt, nicht damit du auf dem Podest stehst, sondern wie Jesus mitten unter dem Volk wirkmächtiger Zeuge seiner Heilkraft und seiner Liebe bist. Christus erhalte in dir die Freude und Ausdauer in seinem Dienst – auch in den Stunden der Anfechtung. Ich bin vor knapp 57 Jahren zum Priester und vor gut 20 Jahren zum Bischof geweiht worden und habe in dieser Zeit verschiedene Stürme erlebt und überlebt. Ich durfte in all den Jahren auf die Wirkmacht desjenigen zählen, der mitten in den Stürmen unserer Zeit bei seinem Wort bleibt “Fürchtet euch nicht … Friede sei mit euch … Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.” Auf diese Worte ist Verlass und du kannst dich im Wissen um die eigenen Grenzen getrost auf den Wege machen, weil der Herr immer schon dort wartet, wo du an Land gehst. Ich freue mich, dich heute hier in Schüpfheim zum Priester zu weihen und so ein Zeugnis für die Lebenskraft Christi und die Zukunft der Kirche in stürmischer Zeit abzulegen.