Ukrainerinnen im Kapuzinerinnen-Kloster

«Ihr seid so ganz anders.» Das sagte mir eine Ukrainerin beim Abschied. «So ganz anders als unsere Klosterfrauen in der Ukraine. Diese sind sehr fromm und in sich gekehrt. Und ihr, ihr seid offen und immer für uns da. Ihr fühlt immer mit uns. Wenn wir Weihnachten haben in der ukrainisch-orthodoxen Kirche, feiert ihr mit uns.

Wir dürfen unsere Lieder singen, in unserer Sprache beten und auch unsere Gerichte kochen. Ihr habt immer Freude und macht mit. Wenn wir weinen, nehmt ihr uns in die Arme und fühlt mit uns. Eure Liebe und Wärme, gibt uns Stärke und Halt. Ihr seid so eine wunderbare Familie.»

Diese Abschiedsworte haben mich an ein Wort aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, «Gaudium et Spes», erinnert: «Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, dass nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.»

Dieser Text klingt wie ein schönes Gedicht. Aber erst im Leben entfaltet er seine Schönheit und Kraft. Alles, was Menschen bewegt, all das lässt uns nicht kalt. Wir fühlen mit, wenn Menschen sich freuen, etwas erhoffen, wenn sie traurig sind oder Angst haben, wenn die Wut und Verzweiflung ihnen den Atem raubt. Wie in unserem Fall der ukrainischen Flüchtlinge. Hinter diesen Worten steckt ein ganz anderes Bild von Kirche. Der Mensch in allen seinen Lebenssituationen soll im Mittelpunkt stehen, nicht die Frömmigkeit, nicht Regeln oder sonst etwas. Denn in der Zuwendung zum Menschen, wie Jesus sie uns vorlebt, steckt eine tiefere Botschaft, als Worte sie jemals ausdrücken können.


Raphael Märtens

Sr. Maria Raphael Märtens, Kapuzinerin
Lebt im Kapuzinerinnenkloster St. Anna, Gerlisberg, Luzern
Ist tätig in den verschieden Aufgabenbereichen des Klosters und ist auch über das Netzwerk in Kontakt mit den Menschen