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Du hast um deine Krankheit gewusst

Daniel Hug, der Nachfolger auf der Missionsprokura, heute Provinzprokura der Schweizer Kapuziner, hat am Auferstehungsgottesdienst in der Klosterkirche Wesemlin das Leben von Bruder Werner nachgezeichnet und wertgeschätzt:

Liebe Trauerfamilie, Freunde und alle die Bruder Werner die letzte Ehre erweisen. Sie hören nun den Lebenslauf, den ich in Du-Form vorlesen werde. So, wie es sich Werner wohl auch gewünscht hätte:

 Lieber Werner

Es fällt mir schwer, heute von Dir Abschied zu nehmen, im Wissen, dass nun die letzte Seite in Deinem Lebensbuch umgeblättert wird.

Du bist am 28. März 1945 als jüngstes von 6 Kindern in Näfels im Kanton Glarus
geboren worden. Dort besuchtest Du den Kindergarten und die Primarschule.
Du warst schon als Kind sehr lebhaft und kontaktfreudig. Als 7-jähriger begann
Deine Karriere bei den Pfadfindern, wo Du sämtliche Pfadfinderlager besuchtest und später auch als Leiter gewirkt hast.

Nach der sechsten Primarschulklasse besuchtest Du die Klosterschule in Näfels,
wo Du von den Vätern Kapuziner unterrichtet worden bist. Vermutlich war das
ein Vorgeschmack dessen, wie sich Dein weiteres Leben entwickeln sollte.

Ab dem Jahr 1961 absolviertest Du eine kaufmännische Lehre beim Treuhandbüro Schirmer in Netstal. Du schreibst in Deinen Notizen vom 23. September 1970:

«Ich war eher ein ruhiger und stiller Schüler und wagte mich kaum zu Worte zu
melden.»    Kaum zu glauben, wenn man Dich später gekannt hat..

Der 8. März 1961 hat sich in Deinem Gedächtnis eingeprägt als jener Tag, an dem Dein acht Jahre älterer Bruder Paul in den Kapuzinerorden eingetreten war und den Ordensnamen Raymund annahm.
Das lässt uns erahnen, dass auch Du Dich mehr und mehr zu den Kapuzinern
hingezogen gefühlt hast.

In Deinen Notizen ist auch zu lesen, dass Du zu all Deinen Geschwistern ein
gutes und inniges Verhältnis hattest.

Noch immer galt Deine Leidenschaft den Pfadfindern. Im Jahr 1968 hast Du den
internationalen Führerkurs erfolgreich absolviert und das Gilwell-Diplom – die
höchsten Auszeichnung in der weltweiten Jugend-Organisation der Pfadfinder –
erworben.

Nach Deiner Lehre bist du in jene Firma eingetreten, wo auch Dein Bruder Albert arbeitete und wo Du Dein buchhalterisches Grundwissen erweitern konntest.

Doch dann hatte es Dich in die Stadt gezogen. Zwei Jahre hattest Du eine Anstellung beim Institut Juventus in Zürich, damals der grössten Privatschule der Schweiz. Als Kanzleichef warst Du für die Belange der Sekretariate von vier Schulen verantwortlich.

Du berichtest: 
«1968 planten ein Kollege und ich eine Reise nach Indien-Seychellen und Afrika, wobei in erster Linie ein Besuch bei meinem Bruder Raymund geplant wurde.
Schon lange plagte mich der Gedanke als Laienhelfer mich für drei Jahre in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Ein eventueller Klostereintritt habe ich damals schon in Erwägung gezogen. 1969 starteten wir die Reise und bleiben drei Monate unterwegs. Grosse Not und Elend habe ich auf dieser Safari (Reise) getroffen, und so entschied ich mich nach eingehender Ueberlegung, unabhängig meines Bruders, der keinerlei Einfluss gehabt hat, am 04. Oktober 1969 ins Kloster Luzern einzutreten».

Danach folgte Deine Einkleidung als Novize und am 01. Oktober 1971 legtest du die einfache Profess in Solothurn ab.
Es folgte ein Sprachaufenthalt für Französisch im Kloster Sion und ein weiterer für Englisch in London.

Deine nächste Station war der Einsatz für das Franziskushaus in Dulliken.

1974 erfüllte sich Dein Traum als Missionar die Schweiz zu verlassen. Drei Jahre warst Du auf den Seychellen, wo Du als Buchhalter und Verwalter der Diözese Port Victoria gewirkt hast. Dein dortiges
buchhalterisches Engagement galt ebenso der Druckerei die Dein Bruder
Raymund geleitet hat.

Am 25. November 1975 hast Du in der Kathedrale von Mahé die ewige Profess
abgelegt, ein weiterer Meilenstein in Deiner Lebensgeschichte.

Bereits ein Jahr danach zeichnete sich ab, dass ein neues Engagement auf Dich
warten würde. Der damalige Prokurator der Missionsprokura in Olten erkrankte schwer und es wurde ein Nachfolger gesucht, welcher in Dir gefunden wurde.

In Deinen Briefen an den damaligen Provinzial lesen wir, dass Dir der Entscheid
des Abschieds von den Seychellen nicht einfach gefallen ist, obwohl die politische Situation aufgeheizt und fremdenfeindlich gewesen ist.

Nun folgte eine Zeit für Dich, wo Du sowohl als Leiter der Missionsprokura als
auch als Kapuziner und Mitglied der Klosterfamilie Olten mit geschickter Hand
und grossem Know-how gewirkt hast. Die Missionsprokura als Heimatbasis und Versorgungsstätte der Kapuziner im Ausland wurde zu «Deinem Kind».

Mehr als 100 Kapuziner-Missionare in Chile, Peru, Madagaskar, Tansania, Indonesien und Ecuador galt es zu betreuen. In den 80-er Jahren wurden jährlich oftmals bis zu 25 Lastwagen mit Hilfsgütern beladen, die in Schiffscontainern in die Länder der Dritten Welt gelangten und dort von den Missionaren und Einheimischen verteilt worden sind. Unter Deiner Leitung wurden 282 Schiffs-Container verschickt, was umgerechnet 141 Eisenbahnwagen mit einer Gesamtlänge von 2'115 Meter Länge ergeben würde.   Dein Namensgedächtnis war unglaublich.
Du kanntest auch nach vielen Jahren noch die Namen all jener Personen, die
Entwicklungshilfe vor Ort leisteten, ebenso die vielen Schwestern und Ärzte,
welche in Ifakara, Huruma oder anderswo in Tansania medizinische Hilfe leisteten. Mit ihnen warst Du zeitlebens verbunden.

Dein Engagement galt sowohl den Brüdern und Schwestern im Ausland als auch
den dortigen Menschen, die in Armut lebten. Die Zusammenarbeit mit den
Gerlisberg- und Baldegger-Schwestern hat in Tansania viele Früchte getragen.
Aber auch die Missionen in Madagaskar, den Seychellen, Lateinamerika und Indonesien hattest Du stets im Blick.

Während Deiner vielen Reisen zu den Brüdern im Ausland hast Du Dich über
die jeweilige Situation informiert und die Bedürfnisse vor Ort gesehen. Diese
Erfahrungen wolltest Du auch Anderen weitergeben und hast mehrere Reisen
ins Heilige Land wie auch in viele andere Ländern organisiert und begleitet.

Im Kapuzinerkloster Olten warst Du viele Jahre Vikar und auch Guardian, Organisator, Buchhalter, Einkäufer und vieles mehr.

Du warst auch sehr verbunden mit der tamilischen Gemeinschaft in Olten und Umgebung und angesehen als Familienmitglied, wovon gemeinsame Weihnachts-Feiern, Einladungen zu Hochzeits- und anderen Festen zeugen.

Während mehreren Reisen nach Sri Lanka wuchsen weitere Freundschaften mit
den dortigen Kapuzinern und Familienangehörigen der tamilischen Diaspora in
der Schweiz.

Es gäbe noch viel zu erwähnen aus Deinem Leben und den vielen Aufgaben, die Du in den 47 Jahren Deiner Oltner-Zeit wahrgenommen hast und welche enorme Leistung, dahinter steckt.

Doch was hat Deine Persönlichkeit ausgemacht - wie nahm man Dich wahr?

Du hattest eine grosse Empathie für Menschen, besonders für jene in Armut oder Not. Du bist nahbar gewesen und den Menschen auf Augenhöhe begegnet.
Du konntest Dich in andere Personen hineinversetzen, Dich mit ihnen freuen oder mit ihnen leiden. Ungerechtigkeit machte Dir zu schaffen, dann konntest Du recht ungehalten sein. Es lag Dir aber viel daran für Gerechtigkeit zu sorgen.

Geduld war nicht so Deine Stärke, es musste vorwärts gehen und Du sagtest oft: «there is no time for waist of time and money».

Du warst stets hilfsbereit, wenn jemand Dich brauchte, ein Mann der Tat und treuer Freund, auf den man sich verlassen konnte.

Aber Du bleibst auch in anderer Hinsicht in unseren Gedanken:
Deine spitzbübische Art und Dein subtiler Humor sorgte immer wieder für ein
herzhaftes Lachen. In Gesellschaft mit anderen Menschen fühltest Du Dich wohl und zu Hause, das gab Dir neuen Schwung.

Doch du hast auch um deine Krankheit gewusst, und dass es keine Heilung mehr gibt. So war Dein Wunsch, nochmals zurück zu den Seychellen zu reisen. Heute vor einem Jahr standest Du zum letzten Mal am Strand der Insel La Digue und schautest auf das Meer hinaus.

Tapfer hast Du Dich in Dein Schicksal ergeben und akzeptiert, dass Du nicht mehr lange leben würdest. Bei meinem letzten Besuch an Deinem Bett hast Du mir gesagt:

Jetzt ist es mit mir zu Ende, bald gehe ich heim.
Und so war es auch, heute vor acht Tagen, genau am Tag der Beerdigung Deines Bruders Raymund, bist Du friedlich eingeschlafen.

Lieber Werner, wieder vereint mit Deinem Bruder Raymund darfst Du nun Deinem Gott und Retter, an den Du geglaubt hast, gegenüberstehen.

«Und er wird alle Tränen aus ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, und keine Trauer, kein Klaggeschrei und kein Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.»    Off. 21.4

 

Du bleibst in unseren Gedanken und Herzen.

 

Kwa heri Rafiki mpendwa.       adieu lieber Freund