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Bruder Willi Anderau zum Papstschreiben im Tagesgespräch von SRF 1

Keine klare Haltung von Papst Franziskus zur Lockerung des Zölibats: Was das mit Spannung erwartete Papstschreiben für die progressiveren Kräfte in der katholischen Kirche bedeutet, darüber sprach der Kapuziner Willi Anderau im «Tagesgespräch».

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Klimawandel, ökologische Krise, Krisen des Finanzsystem, Terrorismus, Flüchtlingskrise … Die Krisenliste ist lang. Nicht selten bleibt Verunsicherung als Hintergrundgeraune. Doch Verunsicherung kann heilsam sein.

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Informationstage
für Männer (20 – 45 Jahre), die sich interessieren, wie Kapuziner heute leben und arbeiten.

Termine
Samstag, 30. Nov. 2019
Samstag 09. Mai 2020

Samstag, 24. Oktober 2020

(jeweils 10.00 – 16.00 Uhr)

Programm
– Ordensbrüdern begegnen
– Franziskanische Spiritualität entdecken
– Arbeitsfelder und Ausbildungswege kennenlernen
– Gemeinsames Mittagessen

Ort
Kapuzinerkloster Wesemlin
Wesemlinstrasse 42
6006 Luzern

Anmeldung
bis eine Woche vor dem Termin an:
Br. George Francis Xavier
T: 041 429 67 34
M: george.franzxavier@kapuziner.org
www.kapuziner.ch

Niklaus Kuster, 4. Juli 2019

Franz von Assisi staunt über die Weisheit des Islam, den er 1219 im Nildelta kennenlernt. Und er schreibt danach sein eigenes Gedicht mit den schönsten Namen Gottes! Es überrascht mit weiblichen Namen!

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In meiner Kindheit habe ich mich immer gefreut, wenn die Dorfmusik aufgespielt hat. Das brachte mich in Bewegung. Spontan ahmte ich den Dirigenten nach und fuchtelte in der Luft herum. Daran habe ich mich wieder erinnert, als mir auf der Strasse ein kleines Mädchen mit einem Kinderwägelchen aufgefallen ist. Begleitet von der Mutter hat es sein «Gefährt» das Trottoir aufwärts gestossen. Da fuhr ein Auto vorbei, aus dem laute Rockmusik tönte. Sofort begann das Mädchen zu tanzen und liess das Wägelchen fahren. Dieses rollte das Trottoir hinunter und landete in einem Strassengraben. Das Kind achtete nicht darauf, sondern gab sich ganz dem musikalischen Erleben und Tanzen hin.

*

Musik versetzt in Bewegung. Das zeigen die wogenden Massen an Open-Air-Konzerten. Zu den Events strömen Scharen von Menschen. Noch bevor die Musik erklingt, versetzt sie schon alle in Bewegung. Und erst recht, wenn sie loslässt, entwickelt die Musik eine so immense Schubkraft, dass in der Masse der Leute eine gewaltige Welle entsteht. Musik und Tanz beflügeln und beglücken. Viele Menschen, die von den Umständen im Alltag gefangen gehalten sind, suchen bei Open-Air-Festivals Befreiung und schöpfen wieder Lust und Mut zu Leben.

Musik löst innere Bewegung aus
Der Mensch braucht etwas, das ihn in Stimmung bringt. Für viele Menschen ist das die Musik. Von Mozart stammt der kurze Satz: «Ohne Musik wär‘ alles nichts.» Mit Mozart sind wir bei der Klassik. Auch diese Musik zieht unzählige Menschen an. Das beweisen die vollen Säle der Elbphilharmonie in Hamburg und des KKL in Luzern und andernorts.

Der Klassik verdanken wir unsterbliche Werke, die in den Menschen vor allem eine innere Bewegung auslösen, eine Faszination des Herzens, manchmal ein Glücksempfinden, das über das Irdische hinausreicht. Josef Krips, Dirigent und Violinist, schrieb: «Beethoven erreicht in manchen seiner Werke den Himmel, aber Mozart, der kommt von dort

Schon viel früher hat Martin Luther die Musik mit der himmlischen Welt in Verbindung gebracht: «Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen; denn ihr erster Ursprung ist von dem Himmel selbst genommen, weil die lieben Engelein selber Musikanten sein.»

Musik strahlt heilende Kraft aus
Die Bibel (1 Sam 16,16ff) erzählt, wie der kranke Geist König Sauls durch Harfenspiel geheilt wurde: «Der Geist des Herrn war von König Saul gewichen. Jetzt quälte ihn ein böser Geist, der vom Herrn kam. Saul sagte zu seinen Dienern: Seht euch für mich nach einem Mann um, der die Harfe zu spielen versteht. Bringt ihn her zu mir! Einer der jungen Männer antwortete: Ich kenne einen Sohn Isais in Betlehem, der das Harfenspiel beherrscht. Der Herr ist mit ihm. Da schickte Saul Boten zu Isai und liess ihm sagen: Schick mir deinen Sohn David, der bei den Schafen ist. Isai nahm einen Esel, dazu Brot, einen Schlauch Wein und ein Ziegenböckchen und schickte seinen Sohn David damit zu Saul. So kam David zu Saul und trat in seinen Dienst; Saul gewann ihn sehr lieb. Sooft nun ein Geist Gottes Saul überfiel, nahm David die Harfe und spielte darauf. Dann fühlte sich Saul erleichtert, es ging ihm wieder gut und der böse Geist wich von ihm.»

Dass Musik, im Besondern die klassische Musik, heilt, beweist die moderne Musiktherapie. Diese wird unter anderem mit Erfolg bei Alzheimer angewandt.

Franziskus – der Sänger Gottes
Franziskus war von Jugend an mit Lied und Musik vertraut. Sein Vater hatte als Tuchhändler Beziehungen zu Frankreich. Möglichweise ist Franziskus mit den französischen Liedern, die er auch nach seiner «Bekehrung» noch anstimmte, durch seinen Vater bekannt geworden. Celano, der erste Biograph des heiligen Franziskus, schreibt: «Zuweilen machte er es so: Wenn der Geist in seinem Innern in süsser Melodie aufwallte, gab er ihr in einem französischen Lied Ausdruck, und der Hauch des göttlichen Flüsterns, den sein Ohr empfangen hatte, brach in einen französischen Jubelgesang aus. Manchmal hob er auch, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe, ein Holz vom Boden auf und legte es über seinen linken Arm, nahm dann einen kleinen, mit Faden bespannten Bogen in seine Rechte und führte ihn über das Holz wie über eine Geige. Dazu führte er entsprechende Bewegungen aus und sang in französischer Sprache vom Herrn.»

Singende Vögel
Die legendären Fioretti erzählen, wie Franziskus «singend und den grossen Gott lobend» umherzog. In der Nähe von Venedig sah und hörte Franziskus einen zwitschernden Vogelschwarm. Er sagte zu seinen Gefährten: «Unsere Schwestern, die Vögel, loben ihren Schöpfer. Darum wollen wir zu ihnen gehen und im Stundengebet dem Herrn lobsingen.»

Nicht nur die Geschöpfe der Natur gaben ihm Anlass zum Singen, sondern besonders auch die Begegnung mit dem Wort Gottes. Als er einmal die Heilige Schrift öffnete, stiess er auf eine Stelle, die die Passion Christi ankündigte. Er schloss das Buch und öffnete es ganz «zufällig» mehrmals wieder. Immer war der Inhalt derselbe. Er schloss daraus, dass die Leiden Christi der besondere Ort seiner Beziehung zu Christus sein mussten. Es kam ihm vor wie ein verborgener Ratschluss.

Celano schreibt: «So blieb er unerschüttert und froh und sang vor sich und vor Gott Lieder der Freude im Herzen.» Gerade in schweren Leiden blieb Franziskus ein unverwüstlicher Sänger Gottes. «In den Tagen, da er wegen der Heilung seiner Augen in Rieti weilte, rief er einen seiner Gefährten, der in der Welt ein Lautenspieler gewesen war, und sagte zu ihm: ‹Bruder, ich möchte, dass du dir insgeheim eine Laute leihst und sie hierherbringst. Dann dichte ein gutes Lied, mit dem du meinem von Schmerzen geplagten Bruder Leib einigen Trost geben kannst.›»

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Als Franziskus sterbenskrank im Bischofshaus der Stadt Assisi lag, bat er seine Brüder, frohe Loblieder anzustimmen. Das gefiel nicht allen. Bruder Elias tadelte den Sterbenden, er könnte durch den fröhlichen Gesang bei den Leuten einen schlechten Eindruck erwecken. Franziskus müsse doch jetzt den Ernst des Todes erkennen und schweigsam tragen. Darauf antwortete Franziskus: «Lass es nur zu, Bruder, dass ich mich in meinen Krankheiten im Herrn und an seinen Lobpreisungen freue …» Franziskus blieb Sänger, der auch im Sterben Gottes Lob sang.

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In den Schriften des heiligen Franziskus begegnet man öfters Textabschnitten, die dichterisch geformt sind. Ganz besonders poetisch geprägt sind seine Lobgebete. Spezielle Erwähnung verdient der berühmte Sonnengesang. Es ist erstaunlich, unter welchen Umständen Franziskus diesen Lobgesang der Schöpfung geschaffen hat. Franziskus litt schwer an verschiedenen Krankheiten. Aber die innige Gemeinschaft mit Gott gab ihm die Kraft und die Freude zu solchem Lobpreis.

Am besten – wenn möglich – selber musizieren
Heutzutage können wir jederzeit ab Tonträgern Musik hören. Radio, Computer, Tablet und CD ermöglichen es. Manche Menschen lassen sich ständig berieseln. Dieses passive Musikkonsumieren ist fragwürdig. Bei solcher Übertreibung macht Musik eher stumpf und oberflächlich, als dass sie Kraft und Lebenslust verleiht.

Besser wäre es, man würde nach Möglichkeit selber Musik machen. Leider haben nicht alle die Chance, ein Instrument zu spielen. Aber den meisten steht das wichtigste «Instrument», ihre menschlichen Stimme zu Verfügung. Singen kann heilende Wirkung haben. Natürlich muss man sich bewusst machen, was es dazu braucht. Die richtige volle Atmung und die Lockerung des ganzen Körpers, Dehnung und Entspannung. Besonders entspannt müssen Mund und Rachen sein. Kein Pressen und Drängen, kein Zwängen und Klemmen, sondern sich lockern und entkrampfen. Wenn das körperlich gelingt, dann verspürt man bald auch eine innere Befreiung, ein ganzmenschliches Aufatmen, Lebensmut und Freude am Leben, für das Christsein auch Dank und Lobgesang.

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Zum Schluss noch einmal ein Mozart-Wort: «Ich lege mich niemals zum Schlafen nieder, ohne zu bedenken, dass ich den nächsten Tag vielleicht nicht mehr erleben werde. Und doch könnte keiner meiner Bekannten sagen, dass ich im Umgang mit ihnen stur oder verdriesslich sei – und für diese Quelle des Glücks danke ich meinem Schöpfer jeden Tag und ich wünsche meinen Mitmenschen von ganzem Herzen dasselbe.»

Raphael Grolimund

Der Autor, ausgebildeter Grafiker, pflegt seine Frau Mona, die vor acht Jahren den Befund «Demenz vom Alzheimer-Typus» bekam. Was gibt ihm Kraft für die schwierige Aufgabe?

 Text: Walter Reichlin | Bearbeitung: Walter Ludin

 Monas Diagnose liess mich aus allen Wolken fallen und hart auf dem Boden landen. Es war äusserst schwierig. Mona liess nur ihre Meinung gelten und wurde oft aggressiv. Ich konnte nur schwer die Ruhe bewahren. Oft musste ich es bereuen, wenn ich mich nicht beherrschen konnte und zu laut wurde. Ich musste lernen, «Fünfe gerade sein zu lassen». Es braucht viel Liebe, Zuneigung und Geduld, was nicht immer leicht ist.

Unterstützung
Es ist vor allem wichtig, Unterstützung zu suchen. Zum Glück kann unsere Tochter uns helfen, die im Kindes- und Erwachsenenschutz arbeitet und Bescheid weiss. Auch bei Pro Senectute und der Alzheimerstiftung erhielt ich gute Ratschläge und Hilfe. Ich gehe in eine Selbsthilfegruppe von Pro Senectute für Angehörige von Demenzkranken. Und die Spitex hilft uns auch.

Ich habe Mona bei der Stiftung «Roter Faden» zu einer Betreuung während eines Tages angemeldet. Anfänglich sträubte sie sich. Ich habe ihr erklärt, dass ich pro Woche einen freien Tag brauche, um gesund zu bleiben. Es nütze ihr nicht, wenn ich krank werde und sie ins Heim müsse. Das hat sie überzeugt.

 «Du bleibst bei mir?»
Manchmal ist Mona in einer ganz anderen Welt. Dann muss ich mich zu ihr setzen. Dann ist Mona wieder ganz im Jetzt, bei mir in der bewussten Welt.

Am Morgen hört sie im Halbschlaf Stimmen und hat böse Albträume. Ich muss sie trösten, sie in den Arm nehmen und ihr beizubringen versuchen, dass es nur ein Traum war. Dann fragt sie oft schüchtern: «Gell, du bleibst bei mir?» Wenn ich Ja sage, ist sie glücklich. Sie sagt bei jedem Essen und beim Zubettgehen «Danke» und merkt, dass ich gut zu ihr schaue.

Ich mache keine grossen Pläne für die Ferien oder anderes. Man muss flexibel sein, es nehmen wie es kommt; die schönen Momente, die es immer wieder gibt, geniessen.

Ausspannen
Der Alltag ist oft recht zermürbend, wenn Mona die ganze Zeit immer wieder und wieder die gleichen Fragen stellt, etwa: «Was ist heute für ein Tag?» Oder wenn sie dauernd Sachen verlegt. Das alles kann zermürbend sein. Manchmal bin ich am Verzweifeln. Da können mir zum Bespiel ein paar ruhige Minuten autogenes Training helfen. Ebenso kann ich mich gut entspannen, wenn ich das australische Instrument Didgeridoo blase.

Man muss auch für sich selber schauen, darf keine Schuldgefühle haben, wenn man seinen Mann oder seine Frau in eine Betreuung gibt. Wenn Mona ihren Tag bei der Stiftung «Roter Faden» verbringt oder von einer Freundin betreut wird, gehe ich an die frische Luft. Ich sitze an einem ruhigen Ort, geniesse die Stille und die Aussicht, vielleicht zeichne ich eine Skizze.

Hie und da gehe ich in mein Atelier, um zu malen. Aber dort muss ich zuerst abschalten und zur Ruhe finden. Plötzlich packt’s mich, ich komme in einen Eifer und der Pinsel fliegt über das Papier oder über die Leinwand.

Ich koche gerne – und wohl auch gut. Darum haben wir viel Besuch. Mona hat gerne Leute um sich. Für mich ist es eine Freude, Gäste zu verwöhnen und gute Gespräche zu führen bei einem feinen Essen und mit einem guten Wein.

Die Krankheit nicht verschweigen
Wichtig scheint mir, dass die Angehörigen von Demenzkranken die Krankheit nicht verstecken. Sprecht darüber! Redet mit Bekannten, Freunden und Verwandten! Sie werden es euch danken und manchmal auch helfen.

Und sagt, wie man am besten mit dementen Menschen umgeht: einfach ganz normal, wie mit anderen Leuten. Macht überhaupt kein Aufhebens.

Es braucht liebe Freundinnen und Freunde, Verwandte und Bekannte, mit denen man reden kann. Es braucht solche, die auch hin und wieder ein paar Stunden zur Mona schauen, damit ich neben der organisierten Betreuung auch mal zu einer Veranstaltung gehen kann.

Der Glaube hilft
Es ist manchmal sehr schwierig, mit dieser Krankheit umzugehen. Es gibt ja keine Aussicht auf Besserung. Da braucht es auch das Gebet und den Glauben, dass eine höhere Macht da ist, die einem Kraft schenkt, das Schwere auszuhalten. Es ist auch hilfreich, am Abend im Bett auf den Tag zurückzuschauen und sich zu fragen, was nicht gut gelaufen ist, aber auch was schön und gut war, und Zwiesprache zu halten mit dem Schöpfer, ihn um Kraft bitten, die gestellte Aufgabe zu erfüllen.

Ich selber musste schon allerhand durchmachen, und es ist nicht selbstverständlich, dass ich noch am Leben bin. Aber ich glaube, da oben, über den Wolken ist jemand, der mir hilft, meine liebe Mona noch lange zu begleiten.

Menschen sind keine Computer. Wir nehmen Impulse nicht nur mit den Fähigkeiten unserer Vernunft wahr, sondern auch mit allen unseren Sinnen und Emotionen. Wenn wir nach Kraftquellen fragen, müssen wir in vielfacher Hinsicht diese Feinfühligkeit des Menschen im Blick haben.

Menschen sind nicht geklont. Sie sind keine deckungsgleichen Kopien. Was die eine Person anspricht und motiviert, wird bei einer anderen nichts oder wenig auslösen. Vielfalt ist also ein unverzichtbares Stichwort. – Die Heilige Schrift bietet uns eine solche Vielfalt an. Wenn wir nach Quellen fragen, die uns innere Kraft geben können, liegt es nahe, auf die Bibel zurückzugreifen, auch wenn die folgenden Hinweise keineswegs erschöpfend sein wollen.

Kraftquelle Bibel
Für jüdische und für christliche Menschen bildet die Heilige Schrift eine umfassende Grundlage ihres Glaubens. Dafür könnte ich auf die Überzeugung der entsprechenden Glaubensgemeinschaften hinweisen, dass in die zahlreichen Texte der Heiligen Schrift das Wirken von Gottes Geistkraft massgeblich eingewoben ist. Gott habe «in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen», sagt daher das letzte Grosse Konzil (Offenbarungsdokument N. 12).

Theologisch gesehen ist die Heilige Schrift also ein Gemeinschaftsprojekt von Gott und Mensch. Das lässt ermutigende Rückschlüsse auf die Eigenart unseres Gottes zu. Dieser Gott kennt keine Berührungsängste gegenüber den Menschen. Er kommt ihnen auf ganz verschiedene Weise nahe.

In vielen Erzählungen, Bildern und anderen literarischen Formen erzählen die biblischen Schriften von entsprechenden Gotteserfahrungen. Oder sie bezeugen darin dieses Hineinleben Gottes in den Alltag der Menschen. Sie sprechen von Gottes Engagement für Menschen, vor allem in besonderen oder gefahrvollen Situationen.

Kraft aus Gottes Wort
Die biblischen Verfasserinnen und Verfasser stehen dafür ein, dass dieser Gott selbst die entscheidende Kraftquelle ist, wirkmächtig und ausgestattet mit einem Wort. Dieses Wort ist nicht leeres Geschwätz, sondern stellt ein «Wort in Vollmacht» dar (Lk 4, 36). Es zieht entsprechendes Handeln nach sich. So «kehrt es nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe», wie es in einer Gottesrede heisst (Jes 55, 11).

Wenn wir uns mit ganzem Herzen, mit ganzem Fühlen und mit ganzem Verstand auf diese Texte und auf die darin bezeugten Gotteserfahrungen einlassen, können wir daraus immer wieder neue Kraft schöpfen.

Licht
«Dein Wort ist meinem Fuss eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade» (Ps 119,115). In diesem Psalmvers greift die schreibende Person auf verschiedene Begriffe zurück, die Licht und Helligkeit ausdrücken. Für viele Menschen ist dieses Begriffsfeld auch emotional positiv besetzt. Licht vermittelt nicht nur gute Sicht und ermöglicht dadurch Orientierung. Es vermittelt auch Vertrauen, Zuversicht und lässt eine ermutigende Stimmung aufkommen.

In der Geburtserzählung Jesu wird die «grosse Freude», die ein Engel des Herrn den Hirten und allen Menschen verkündet, durch die strahlende «Herrlichkeit des Herrn» untermalt (vgl. Lk 2,9-11). Lukas bezeichnet rückblickend im Munde des geistbegabten Simeon den neu geborenen Jesusknaben als «Licht zur Erleuchtung der Völker» (Lk 2,32) und verstärkt damit die Lichtsymbolik, die durch die Jahrhunderte mit der Person Jesus Christus verbunden bleibt.

In der späten Nacht

In den biblischen Schriften werden verschiedene Zeiten und Orte genannt, die – so geht aus den Texten hervor – den betroffenen Menschen Kraft vermitteln. Markus spricht vom Gebet Jesu «frühmorgens, als es noch dunkel war» (Mk 1, 35). Bei Lukas heisst es vor der Auswahl der Zwölf: «Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott» (Lk 6,12). Der Verfasser des Matthäusevangeliums weiss vom Gebet Jesu am Abend und bis spät in die Nacht hinein, bevor er zum Boot seiner Gemeinschaft über den See kommt (Mt 14, 23-24).

Die späte Nacht ist eben auch jener Zeitpunkt, an dem Jesus zu den Jüngerinnen und Jüngern über den See geht, um ihnen Mut zu machen (Joh 6,16-21, vgl. ähnlich Mk 6, 45-52; Mt 14, 22-33). Ein Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Gebet und den darauffolgenden Handlungen Jesu lässt sich gut erahnen.

In der Einsamkeit
Im gleichen Zusammenhang ist die Einsamkeit zu nennen, die beim Beten Jesu an den genannten Stellen und sodann bis hin zum Ölberggebet eine Rolle spielt (siehe Mk 14, 35). Der in diesem Zusammenhang erwähnte nächtliche Schlaf der Jüngerinnen und Jünger verweist auf die Ambivalenz dieser äusseren Bedingungen und zeigt, dass sie keine Kraftquellen an sich sind, sondern diese allenfalls begünstigen können.

Das gilt auch für besondere Orte, die uns einerseits die Ausgesetztheit des Menschen spüren lassen können, andererseits Gottesbegegnung erfahrbar machen. Der Berg und die Wüste werden in diesem Zusammenhang in der Jüdischen Bibel wie im Neuen Testament ausführlich zur Sprache gebracht. Israels Wanderung durch vierzig Jahre vermittelt dazu eine ausführliche Darstellung mit wechselnden Akzenten (siehe bes. Ex 14-34, ähnlich auch Mk 1, 35; 6, 31; Lk 6, 12 und öfters).

Orte als Symbole – zum Beispiel Jerusalem
Über ihre ursprüngliche Bedeutung hinaus können Orte über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende Symbolcharakter erhalten. Dies gilt in erster Linie für Jerusalem: Einst unbedeutende Stadt in Kanaan (vgl. Ez 16, 1-4), ab dem 10. Jh. v. Chr. und fortan «Stadt Davids»; als Königsstadt von den Babyloniern (587 v. Chr.) und von den Römern (70 n. Chr.) zerstört und jeweils wieder aufgebaut; für die Evangelisten, vor allem für Lukas, der Angelpunkt des Christusgeschehens und der Entstehung von Kirche (bes. Lk 24, 47b-49 | Apg 1, 8); über die Zeiten hinaus «Ort» der Vollendung und der «Wohnung Gottes unter den Menschen» (Offb 21, 3), in der Zwischenzeit Ort der Friedenshoffnung und -zuversicht für unzählige Menschen verschiedener Religionen.

Feuer und Wasser
Es sind nicht nur Zeiten und Orte zu erwähnen, die Gottesbegegnung begünstigen, sondern auch zwei Elemente: Seit der Erzählung vom brennenden Dornbusch (Ex 3, 1-6) steht Feuer als Zeichen für die Gegenwart des wirkmächtigen, lebendigen Gottes. Diese Überzeugung wirkt in der Pfingsterzählung weiter. Die «Zungen wie von Feuer» über der Jerusalemer Kirche drücken sinnfällig dieses machtvolle Handeln Gottes als Kraftquelle für die frühe Kirche aus (vgl. Apg 2, 1-13).

Wasser ist unverzichtbare Lebensgrundlage (vgl. Ex 17, 1-7). Der gestillte Durst gilt überdies als Ausdruck erwachenden und gestärkten Glaubens (siehe Joh 4, 7-42). – Deshalb ist eine «Geburt aus Wasser und Geistkraft» (Joh 3, 5), also die Taufe, unerlässlich für das Leben der Christin oder des Christen.

Speise und Trank
Auch Speise und Trank sind hier aufgrund ihres kräftigenden Charakters zu erwähnen. So stärkt ein Engel den Propheten Elija für einen Vierzigtagemarsch zum Berg Horeb (1 Kön 19, 5-8, siehe auch Ijob 30, 4).

In den Speisungsgeschichten der Evangelien wird diese Wirkung noch auf eine tiefere, spirituelle Dimension weitergeführt. In besonderer Weise gilt dies für die Darstellung des letzten Mahles Jesu, das aus der Sicht der Evangelien in der jüdischen Tradition des Paschamahles, also einer Aufbruchs- und Befreiungsspeise, steht (so Ex 12, 1-28, sodann Mk 14, 17-25 und Paralleltexte). Der vierte Evangelist reflektiert die Bedeutung dieser Speise ausführlich in der Brotrede Jesu (Joh 6, 26-59), in der die personale Dimension des dabei gereichten Brotes deutlich wird (siehe Joh 6, 57: «… wer mich isst, wird leben durch mich.»).

Gott als entscheidende Mitte
Die aus dem Zeugnis der Heiligen Schrift zusammengetragenen Hinweise zeigen alle in eine Richtung: Die entscheidende Mitte, aus welcher den Menschen Kraft gegeben, Zuversicht gestärkt, Glauben und Hoffnung gefördert wird, ist der vielfältige Gott selbst. Diese Lebensermächtigung Gottes mögen die einen unmittelbar aus der Heiligen Schrift erleben. Die anderen können ihr mittelbar in der Begegnung mit anderen Menschen, an heiligen Orten und Zeiten nachspüren.

In den Zeichen des Heils dürfen wir diese Ermächtigung feiern. Christinnen und Christen wissen um das lebensentscheidende Geschenk ihrer Begegnung mit und ihrer Orientierung an Jesus Christus.

Heilend und ermutigend
Denn das Zeugnis der Bibel, insbesondere des Neuen Testaments, erschliesst in zahlreichen Texten eben diesen Befund: Gott lebt im Christusgeschehen. Sie ist Zuwendung zu uns Menschen, in «Tat und Wort» heilend, ermutigend, ermächtigend, «um uns in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen» (Offenbarungsdokument des Konzils, N. 2). Schon in Neh 8, 10 (ca. 3 Jh. v. Chr.) wird der entsprechende Befund zutreffend zusammengefasst: «Die Freude am HERRN ist eure Stärke.»

Walter Kirchschläger

Der Kapuziner Antoine-Marie Gachet (1822-1890) stammte aus dem Greyerzerland. Die Kantons- und Universitätsbibliothek Fribourg ehrt ihn als grossen Missionar, begabten Ethnographen und hervorragenden Linguisten.

So hat er sich nicht bloss für die Christianisierung des Stammes der Menomini in Nordamerika eingesetzt, sondern deren Sprache und Kultur genauestens dokumentiert. Sein Werk stösst heute in der Forschung auf ein grosses Interesse.

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Interfranziskanisches Panorama vom Mittelalter bis zur Gegenwart in der Schweiz mit Beiträgen von 17 Autoren und Autorinnen.

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